In vielen Städten in Deutschland gibt es aktuell Auseinandersetzungen um Flächenfraß, Überlastung der Infrastruktur, die ständige Ausweisung neuer Wohngebiete, ohne dass ein „Mitwachsen“ der Stadt als Ganzes noch möglich ist. Ebenso heiß wird die Verkehrswende in den Kommunen diskutiert, die Frage nach einem verbesserten Öffentlichen Personennahverkehr und dem Schutz der Bewohner vor Verkehrslärm. Direkt nach dem Krieg hatte man solche Probleme schon im Blick – in der Deutschen Demokratischen Republik.
Am 27. Juli 1950 verabschiedete der Ministerrat der DDR „16 Grundlagen“ als Aufbauplanung für die zerstörten Städte. Als Ziel des Städtebaues wurde die harmonische Befriedigung des menschlichen Anspruchs auf Arbeit, Wohnung, Kultur und Erholung genannt.
Unter Punkt 8 heißt es: „Der Verkehr hat der Stadt und ihrer Bevölkerung zu dienen. Er darf die Stadt nicht zerreißen und der Bevölkerung nicht hinderlich sein. Der Durchgangsverkehr ist aus dem Zentrum und dem zentralen Bezirk zu entfernen und außerhalb seiner Grenzen oder in einem Außenring um die Stadt zu führen. Anlagen für den Güterverkehr auf Eisenbahn und Wasserwegen sind gleichfalls dem zentralen Bezirk der Stadt fernzuhalten. Die Bestimmung der Hauptverkehrsstraßen muss die Geschlossenheit und die Ruhe der Wohnbezirke berücksichtigen.“
Das wird dann fortgesetzt unter Punkt 10: „Das zweite Glied in der Struktur der Wohngebiete ist der Wohnkomplex, der von einer Gruppe von Häuservierteln gebildet wird, die von einem für mehrere Häuserviertel angelegten Garten, von Schulen, Kindergärten, Kinderkrippen und den täglichen Bedürfnissen der Bevölkerung dienenden Versorgungsanlagen vereinigt werden. Der städtische Verkehr darf innerhalb dieser Wohnkomplexe nicht zugelassen werden, aber weder die Wohnkomplexe noch die Wohnbezirke dürfen in sich abgeschlossene isolierte Gebilde sein.“
Hier wird deutlich, was wir Kommunistinnen und Kommunisten bei reiner „Verkehrspolitik“ immer mit beachten müssen. Unsere Forderungen nach wohnortnahen Schulen, Krankenhäusern und anderen öffentlichen Einrichtungen sowie der Nahversorgung sind ein wichtiger Teil der „Verkehrspolitik“. Insofern hat die DKP in vielen Kommunen schon sehr lange Forderungen formuliert, die zur Verkehrswende passen. Im Grunde wird hier beschrieben, was heute als „autofreies Quartier“ allerdings unter kapitalistischen Vorzeichen, häufig ohne die meisten dieser lebenswichtigen Einrichtungen, gefeiert wird. Zum Verkehr findet sich in den „16 Grundlagen“ auch der Punkt: „Bestimmend für gesunde und ruhige Lebensverhältnisse und für die Versorgung mit Licht und Luft sind nicht allein die Wohndichte und die Himmelsrichtung, sondern auch die Entwicklung des Verkehrs.“
Übrigens wurden in dem Papier auch hohe Ansprüche an das Erscheinungsbild der Städte formuliert: „Die zentrale Frage der Stadtplanung und der architektonischen Gestaltung der Stadt ist die Schaffung eines individuellen, einmaligen Antlitzes der Stadt.“ Nicht überall konnte das in der DDR auch umgesetzt werden werden, hier stieß das sozialistische Deutschland vielfach auf seine Grenzen. Es konzentrierte sich auf zentrale Städte in der Republik, in der Hauptstadt Berlin finden sich daher zahlreiche Belege für diesen Ansatz:
Da ist der breite Straßenzug von der Frankfurter Straße über den Alexanderplatz, die Königstraße (heute: Rathausstraße) und die Straße Unter den Linden bis zum Brandenburger Tor. Es entstand eine zentrale Achse zwischen dem Brandenburger Tor und dem Alexanderplatz. Die Karl-Marx-Allee entstand, damals als Stalin-Allee.
In anderen Bezirksstädten der DDR spiegelten sich die „16 Grundlagen“ in Großprojekten wieder, so in Dresden am Altmarkt und in Leipzig am Roßplatz. Grundlegende Ansatzpunkte hinsichtlich funktionierender Stadtteilzentren, gut erreichbar zu Fuß oder mit dem öffentlichen Nahverkehr und versehen mit einer ausreichenden Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen für die Bewohner wurden flächendeckend in der gesamten Republik realisiert.