Im Bauhauptgewerbe sollen Mindestlöhne vor Lohndumping schützen

Verhandlungen verschleppt

Von Peter Köster

Am 15. August beginnt in Wiesbaden die Tarifrunde für den Mindestlohn am Bau. Der Ausgangspunkt für die Vereinbarung von Mindestlöhnen in der Bauwirtschaft liegt in der Praxis der Entsendung von Arbeitnehmern auf europäischer Ebene. Im Baugewerbe herrscht die Praxis vor, dass ausländische Unternehmer einen Bauauftrag mit eigenem Personal erledigen, das oft viel schlechter bezahlt wird.

„Erhebliche Einkommensunterschiede zwischen inländischen und ausländischen Arbeitnehmern sind die Folge. Nach europäischem Recht sind Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit von Bauunternehmen aus dem EU-Ausland zulässig, wenn auch für die Arbeitnehmer inländischer Unternehmer dieselben Mindestarbeitsbedingungen gelten und die ausländischen Arbeitnehmer durch diese Mindestbedingungen einen zusätzlichen sozialen Schutz erhalten“, so die IG Bauen Agrar Umwelt, (IG BAU) als die zuständige Branchengewerkschaft in ihren Erläuterungen zu den Mindestlöhnen im Baugewerbe.

Mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz von 1996 wurden tarifvertragliche Mindestlöhne, Urlaubsbedingungen und Urlaubskassenbeiträge unter bestimmten Voraussetzungen für international zwingend erklärt. Vor diesem Hintergrund konnte ein erster Tarifvertrag für Mindestlöhne im Baugewerbe zum 1. Januar 1997 vereinbart werden. Alle inländischen und ausländischen Unternehmer des Baugewerbes müssen die Bau-Mindestlöhne einhalten. Alles andere ist illegal und zieht bei Verstößen Bußgelder in Höhe von bis zu 500 000 Euro nach sich.

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Die Gewerkschaft hofft damit die Mindestlöhne als unterste Schranke für alle am Bau Beschäftigten über Jahre hinaus zu sichern. Dabei sollte die Kontrolldichte Schritt für Schritt erhöht werden.

Der Tarifvertrag Mindestlöhne muss einer AVE (Allgemeinverbindlichkeitserklärung) der Bundesregierung unterliegen. Der aktuelle TV-Mindestlohn im Baugewerbe ist noch bis zum 31. Dezember 2017 AVE-gültig. Im TV sind zwei Mindestlöhne bisher vereinbart: Mindestlohn 1 („Helferarbeiten“) für ganz Deutschland 11,30 Euro und nur für West Mindestlohn 2 („Facharbeiten“) von 14,70 Euro. Im Arbeitgeberlager werden die Stimmen lauter, den Mindestlohn 2 ganz abzuschaffen.

Potenziell betroffen sind 114 000 (West-) und 63 000 (Ost-) Beschäftigte. Das sind 38 Prozent aller Beschäftigten in West (Mindestlohn 1 und 2) und 51 Prozent aller Beschäftigten in Ost (Mindestlohn 1).

Soll diese „unterste Schranke“ also weiterhin, mit erhöhten Lohnvereinbarungen selbstverständlich, im oben genannten Sinne auch nach dem 31. Dezember 2017 gelten, müssen in diesem Jahr die Tarifverhandlungen aufgenommen und zum Abschluss gebracht werden.

Die IG BAU hat die „Arbeitgeber“ bereits zum Anfang des Jahres zur Aufnahme von Verhandlungen aufgefordert. Funkstille auf deren Seite war die Antwort. Erst viel später, als von der Gewerkschaft gefordert, sind die „Arbeitgeber“-Verbände zur Zusage zu einem ersten Verhandlungstermin am 15. August bereit gewesen. Kalkül der „Arbeitgeber“: Eine zeitliche Verschleppung von Verhandlungen macht einen nahtlosen Übergang zum Ende 2017 kaum noch möglich. Eine neue Bundesregierung (vielleicht eine CDU/CSU/FDP-Koalition) ließe sogar ganz offen, ob sie eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung aussprechen wird. Es droht für viele Bauarbeiter der Rückfall auf den gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro.

Die IG BAU fordert in der anstehenden Verhandlungsrunde vor allem den Erhalt und eine Erhöhung der Mindestlöhne (und AVE-Erklärung) sowie die Einführung eines Mindestlohns 2 für ganz Deutschland.

Gelingt dies nicht, drohen massives Lohn- und Preisdumping. Mit den Folgen, das der Druck auf die heute nach normalem Lohntarif Beschäftigten (Gesellen zum Beispiel 19,51 Euro) immer größer wird. Die Zusammenhänge sind schnell erkennbar. Die Arbeitgeber im Baugewerbe werden für die nächsten Lohntarifverhandlungen im Gewerbe den Druck auf alle Beschäftigten erhöhen.

Die IG BAU diskutiert auf Baustellen und in Betrieben mit den „Normal“-Tarifbeschäftigten, um ihre Solidarität mit den Mindestlöhnern zu erreichen und auf die langfristig möglichen Folgen für den Lohntarif im Baugewerbe eine Gegenwehr zu erzeugen.

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"Verhandlungen verschleppt", UZ vom 11. August 2017



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