Bea und Jeffrey Schevitz waren als Kundschafter für den Frieden für die DDR tätig. Ihre Quellen reichten bis ins Bundeskanzleramt. Nun ist im Verlag „Edition Berolina“ die Autobiografie „Der Schatten im Schatten. Mein Leben als US-Amerikanerin und MfS-Spionin im Kalten Krieg“ von Bea Schevitz erschienen. Bea wird mit Jeffrey zum UZ-Pressefest am 27. und 28. August in Berlin kommen und am Stand der UZ-Redaktion ihr Buch signieren.
UZ: Was hat euch motiviert, für die Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (HVA) zu arbeiten?
Bea Schevitz: Wir waren beide politisch aktiv. Jeffrey seit dem Studium an der Berkeley-Universität und als Dokumentarfilmer über die Rüstungsindustrie, in St. Louis dann mit seinen Studenten gegen den Vietnamkrieg. Wegen seiner Aktivitäten und marxistischen Ansichten war es klar, dass er in den USA bei keiner Universität eine unbefristete Arbeit finden würde. Ich war zufällig mit 19 in Buffalo an der Uni und habe ihn kennengelernt. Für mich war der Vietnamkrieg nicht so prägend wie für Jeffrey, sondern die Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King. Mit 14 Jahren hatte ich von der Gefängnisrevolte in Attica gehört. Das hat mich sehr bewegt. Später habe ich Nachhilfe gegeben und so die Armut in meiner Heimatstadt kennengelernt. Als wir dann nach Westberlin gezogen sind, habe ich beim deutschen Kinderschutzbund im Wedding gearbeitet und hatte wieder mit Armut zu tun.
Kurz nachdem wir in Westberlin angekommen waren, haben wir Ostberlin besucht. Eine Freundin von mir, die mit Martin Luther King zusammengearbeitet hatte, hatte für uns den Kontakt zu dem DDR-Schriftsteller Walter Kaufmann hergestellt. In der Folgezeit entwickelte sich ein Gesprächskreis mit Amerikanern und Engländern, die in Ostberlin und der DDR lebten. Für uns war die DDR damals ein sehr interessantes Experiment.
UZ: Ihr wolltet eigentlich in die DDR übersiedeln, habt euch aber für die Spionagetätigkeit entschieden. Habt ihr es jemals bereut?
Bea Schevitz: Nein, wir hatten gute Voraussetzungen als Amerikaner und Jeffrey als promovierter Soziologe und ich als Sozialpädagogin. Es war ziemlich einfach, in den Elitekreisen an Informationen für Ostberlin zu kommen. Schmerzlich war aber, dass wir keinen Kontakt mehr zu unseren linken Freunden in den USA und in Ostberlin haben durften und nicht mehr aktiv auf der Straße sein konnten.
Für uns war es wichtig, dass es in diesen Jahren eine Chance auf Verhandlungen gab. Jimmy Carter war gerade US-Präsident geworden, als wir angefangen haben, bei der HVA zu arbeiten. Und Jimmy Carter als liberaler Demokrat war für Verhandlungen mit der Sowjetunion und der DDR. Wir haben Informationen gesammelt und geliefert, damit die Verhandlungen erfolgreich sein konnten. Wir haben keine geheimen Dokumente gehabt. Wir haben nur die Gespräche und die Kontakte in Berlin und dann in Bonn etabliert. Jeffrey hat in Bonn angefangen, bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zu arbeiten, und ich hatte eine Stelle bei der südafrikanischen Botschaft. Die Südafrikaner waren bestrebt, in Zusammenarbeit mit der BRD und Israel eine Atombombe zu bauen. Durch uns wusste das die DDR und konnte den ANC darüber informieren.
Wir wussten, dass es ein Kalter Krieg war. Mit dem NATO-Doppelbeschluss 1983 war die Gefahr extrem groß, dass er in einen heißen umkippen könnte. Die Meinungen von Menschen in Ministerien, von Diplomaten und Journalisten und Politikern bis ins Bundeskanzleramt, die wir sammeln konnten, waren sehr wichtig, damit dies nicht passert.
UZ: Du hast ein Buch darüber geschrieben. Was hat dich über 30 Jahre später dazu motiviert?
Bea Schevitz: 2002 erschien bei der Edition Ost ein Sammelband von 30 Kundschafterinnen und Kundschaftern und Jeffrey hat dafür auch einen Beitrag geschrieben. Weil ich damals bei der Stadt Kaufbeuren als Sozialpädagogin angestellt war, konnte ich in der Öffentlichkeit nichts dazu sagen und musste 20 Jahre warten, bis zum Ruhestand. Während des Lockdowns habe ich dann innerhalb eines Jahres das Buch geschrieben.
UZ: Ihr wart Kundschafter für den Frieden. Ihr wart danach und seid bis heute aktiv für den Frieden. Was ratet ihr jungen Leuten, die jetzt mit der Kriegspolitik Deutschlands nicht einverstanden sind?
Bea Schevitz: Zuerst müssen sie sich informieren. Ich habe dieses Jahr eine Antifa-Jugendgruppe in Kaufbeuren unterstützt. Wir haben diskutiert, dass Kriege nur durch Verhandlungen beendet werden können. Die Frage ist, wie lange wartet man? Wie viele Menschen sollen sterben? Und die Gefahr eines nuklearen Krieges ist real. Ich will keine Angst machen, aber wir sind so nah dran wie 1983. Man muss es verhindern durch Verhandlungen. Verhandlungen brauchen Informationen und wir haben die Informationen gesammelt.