Arbeitgeberpräsident Kramer macht sich Sorgen um junge Flüchtlinge. Er appelliert an die Bundesregierung, die neuen Regelungen des Aufenthaltsrechts zu ergänzen, denn „es ist weiterhin nicht gewährleistet, dass junge Flüchtlinge während der Ausbildung nicht abgeschoben werden können.“ Auch der Präsident der Handwerkskammer, Wollseifer, machte sich Gedanken über Flüchtlinge. Er sprach sich für ein „Profiling“ aus, denn schließlich sollten die Flüchtlinge Sozialabgaben zahlen. Wenn Menschen nach Deutschland kommen, müsse als erstes geprüft werden, wo sie herkommen oder welchen Bildungsstand sie haben. Allein im Handwerk seien 20 000 Ausbildungsplätze frei. Und auch Bundesarbeitsministerin Nahles (SPD) sprach von einer „humanitären Pflicht“ und einem „gemeinsamen Interesse, den Flüchtlingen Anschluss an die Gesellschaft zu ermöglichen“.
Große Worte für eine kleine Veränderung der Beschäftigungsordnung, die in der vergangenen Woche vom Kabinett verabschiedet wurde. Wenn Asylbewerber und Geduldete ein Praktikum absolvieren wollen, entfällt in Zukunft die Vorrangprüfung, also ob ein deutscher Staatsbürger oder EU-Bürger diesen Platz haben wollte. Anfang Juli wurde das Aufenthaltsrecht in zwei Richtungen verändert. Flüchtlinge, die sich im Asylverfahren befinden oder abgelehnt wurden, aber nicht abgeschoben werden können – also eine sogenannte Duldung haben und unter 21 Jahre alt sind – sollen nicht mehr abgeschoben werden, „solange die Ausbildung andauert und in einem angemessenen Zeitraum mit ihrem Abschluss zu rechnen ist.“
Haben die Unternehmer jetzt ein Herz für Flüchtlinge? Das mag für sie nicht die relevante Frage sein, müssen sie doch vor allem auf eines achten: Den Profit. Es geht ihnen um Arbeitskräfte, die möglichst günstig ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Dafür darf auch der Druck erhöht werden. Die andere Veränderung des Gesetzes zeigt die Absicht, die das Kabinett und die Herren Arbeitgeber verfolgen. Flüchtlinge, die über sogenannte „sichere Drittstaaten“ eingereist sind, können sofort nach ihrer Einreise inhaftiert werden – wegen angeblicher „Fluchtgefahr“, um sich der Abschiebung in das Land, in das sie zuerst eingereist sind, zu entziehen. Wer einen „Schleuser“ bezahlt hat oder keinen Ausweis hat, kann im „Ausreisegewahrsam“ landen, um die Abschiebung sicher zu stellen, ganz ohne lästige richterliche Anordnung. Wer mehrmals abgelehnt wurde, bei dem soll ein mehrjähriges Einreiseverbot verhängt werden.
Doch es soll noch weiter gehen: Seehofer will gesonderte Abschreckungslager und die SPD einen neuen „Asyldeal“. SPD-Fraktionschef Oppermann sagte: „Wir müssen mit einem Einwanderungsgesetz eine berechenbare Chance für qualifizierte Leute schaffen, nach Deutschland einwandern zu können – nach Maßgabe von Sprachkenntnissen und beruflichen Fähigkeiten.“ Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Bleiben darf, wer Arbeit hat, Geld verdient und den eigenen Lebensunterhalt sichern kann. Alle, die das nicht schaffen, haben Pech gehabt. Für sie heißt es zurück in Elend, Tod und Perspektivlosigkeit.
Die scheinbar so freundlichen Worte für Flüchtlinge aus den Mündern der Kapitalistenverbände sind vergiftet. Sie wollen Zugriff auf die jungen Arbeitskräfte (mehr als die Hälfte der Asylantragsteller ist unter 25 Jahre alt), die besonders erpressbar sind. 2014 waren es 115 000 junge Menschen, die nach Deutschland geflohen sind. Was passiert mit den Zehntausenden, die keinen Ausbildungsplatz abkriegen? Wer nicht spurt – pardon, sich „integriert“ – wird abgeschoben. Wer nicht mehr adäquat ausgebeutet werden kann, weil zu viel, zu alt, zu schlecht gebildet, zu traumatisiert, der muss weg.
Laut der International Labour Organziation (ILO) sind weltweit mehr als 75 Millionen Jugendliche arbeitslos. Sehr hohe (offizielle) Arbeitslosenquoten unter Jugendlichen verzeichnet mit 28,3 Prozent der Nahe Osten. Es folgt Nordafrika mit 23,7 Prozent. In den Industrieländern liegt die Quote bei 18 Prozent, in der EU bei 21,9 Prozent, in Spanien und Griechenland über 50 Prozent. Deutschland lobt sich für seine offiziellen 7,4 Prozent. Darin sind allerdings 350 000 Jugendliche, die in Beschäftigungsmaßnahmen „geparkt“ sind, nicht mitgezählt. „Eine Reservearmee aus Benachteiligten für den Arbeitsmarkt“ nennt Professor Münk von der Universität Duisburg-Essen diese Jugendlichen. Die offizielle Quote der Jugendarbeitslosigkeit ist seit 2005 zwar halbiert worden, zugleich haben aber nur die geringfügige und befristete Beschäftigung sowie die Zahl der Praktika zugenommen. Bei den Jugendlichen erfolgte fast das gesamte Beschäftigungswachstum seit 2008 durch befristete Arbeitsverhältnisse, wie das „Leibniz Institut für globale und regionale Studien“ 2014 ermittelte.
Auch im „Jobwunder“-Land Deutschland hat der Kapitalismus hunderttausenden Jugendlichen nichts zu bieten, außer Hungerlohnjobs, miese Praktika und Perspektivlosigkeit.
Jugendliche sollen gegeneinander ausgespielt werden. Von Professoren, Ministern und Schreiberlingen wird der Rassismus gefördert, Pegida und anderen Rassisten die Stichworte geliefert. „Die Deutschen“ gegen die „Asylanten“, aber auch die Erfolgreichen gegen die „Looser“. Wer es bei dieser wunderbaren Arbeitsmarktlage nicht schafft, ist selber schuld. Dem muss die Einheit der Arbeiterjugend entgegen gestellt und ein solidarischer Kampf für die gemeinsamen Interessen organisiert werden. Dazu gehört auch, gegen die ökonomische und militärische Zerstörung der Herkunftsländer zu kämpfen. Die Organisierung von Jugendlichen – Flüchtlinge, Migranten und Deutsche gemeinsam – die besonders von Arbeitslosigkeit und miesen Arbeitsbedingungen betroffen sind, ist notwendig. Dieser Kampf für ihre Bedürfnisse bedeutet auch Schaffung von Bewusstsein, dass diese Bedürfnisse im Kapitalismus nicht befriedigt werden können, und dass dieses Ausbeutersystem revolutionär überwunden werden muss.