Streit um Vergabeverfahren für ein neues Bundeswehr-Sturmgewehr

Vergiftete Geschenke

Eigentlich sollte die Bundeswehr bald 120.000 neue Sturmgewehre erhalten. Doch „die Truppe“ wird noch warten müssen. Der Auftrag musste zurückgezogen werden. In einem Brief an die Obleute im Verteidigungsausschuss des Bundestages hatte Staatssekretär Peter Tauber (CDU) Anfang Oktober mitteilen müssen, dass die überraschende Auftragszusage für den Thüringer Waffenhersteller C. G. Haenel aus Suhl von der Vergabestelle des Bundes wegen einer möglichen Patentrechtsverletzung zurückgezogen werden musste. Allerdings soll es jenseits der rechtlichen Fragen auch technische Probleme geben, die aus dem Erprobungsbericht der Wehrtechnischen Dienststelle hervorgehen, die die angebotenen Waffen untersuchte. Nach Angaben von „Business Insider“ schnitt das von „Heckler&Koch“ angebotene Gewehr HK416 in den technischen Untersuchungen teilweise besser ab als das von „C.G. Haenel“ angebotene MK556. Tauber erklärte, man habe auf eine Beschwerde des Mitbewerbers Heckler & Koch reagieren müssen. Nun würden wieder beide Angebote geprüft. Und das wird dauern. Das Verteidigungsministerium rechnet damit, dass die Auslieferung der ersten neuen Sturmgewehre nun erst 2024 erfolgen kann – drei Jahre später als geplant.

Am Freitag der vorigen Woche musste sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages erneut mit diesem Vergabeverfahren beschäftigen – nicht nur wegen der Patentstreitigkeiten, sondern auch wegen des rechtlich fragwürdigen Vorgehens der Vergabestelle. In einem Bericht hatte das Bundesverteidigungsministerium vorher zugeben müssen, schon lange von möglichen Patentrechtsverletzungen gewusst zu haben. Hinweise gab es schon seit mehr als zwei Jahren. Der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner sagte laut „Frankfurter Allgemeine“ nach der geheimen Ausschusssitzung, er habe große Zweifel, ob das Verfahren nach seinem bisherigen Verlauf einer juristischen Überprüfung standhalten werde. Am Ende, so Lindner, „wird dann vermutlich nicht das beste oder wirtschaftlichste Sturmgewehr für die Truppe stehen, sondern das Produkt gewinnen, dessen Hersteller die besseren Anwälte hat“. Offensichtlich gibt es auch Zweifel an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Thüringer Unternehmens und an dessen Lauterkeit. Zweifel gibt es, weil die C. G. Haenel GmbH – eine Neugründung aus dem Jahr 2008 – über die Merkel-Gruppe indirekt zum Staatskonzern EDGE Group aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gehört.

Schon Anfang Oktober hatte Lindner gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ kritisiert, Deutschland würde über den Auftrag an C. G. Haenel „den Krieg im Jemen finanzieren“. Die Thüringer Vorsitzende der Linkspartei, Susanne Henning-Wellsow, hatte im September gegenüber dem „Spiegel“ gesagt, wofür die Bundeswehr die neuen Sturmgewehre erhalten soll: „Für die Stadt Suhl mag es ein finanzielles Geschenk sein, dass Haenel einen Großauftrag der Bundeswehr von 250 Millionen Euro bekommen soll. Es ist aber ein ganz und gar vergiftetes Geschenk, da diese Waffen für militärische Konfliktlösungen eingesetzt werden.“

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"Vergiftete Geschenke", UZ vom 6. November 2020



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