Vorläufig hat Heckler & Koch den Kampf für sich entschieden: Der Konzern bekommt den Auftrag, 120.000 neue Sturmgewehre an die Bundeswehr zu liefern. Heckler & Koch liefert seit 1959 die Sturmgewehre der Bundeswehr. Der Aufstieg des Konzerns ist eng verbunden mit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Aber im vergangenen September hatte das Verteidigungsministerium verkündet: Nicht der Traditionshersteller des deutschen Militarismus wird die neue Standardwaffe der Soldaten liefern. Der Zuschlag sollte an eine relativ kleine Firma aus Thüringen gehen: C. G. Haenel.
Heckler & Koch protestierte. Der neu aufgetauchte Konkurrent soll mit seinem Gewehr die Technik von Heckler & Koch kopiert und damit Patente verletzt haben: Es geht um spezielle Bohrungen im Gehäuse des Gewehrs, die dafür sorgen, dass einmal eingetretenes Wasser schnell wieder ablaufen kann. Das Ministerium gab Gutachten in Auftrag, die die Position von Heckler & Koch stützten. Das Ministerium zog die Vergabe zurück und schloss Haenel in der vorigen Woche ganz aus dem Verfahren aus.
Der Streit um das neue Sturmgewehr zieht sich bereits seit mindestens sechs Jahren hin. Es ist nicht nur der Kampf zwischen zwei Unternehmen um den Auftrag über rund 200 Millionen Euro. Es ist auch ein Kampf im undurchsichtigen Filz des staatsmonopolistischen Kapitalismus, im Netzwerk der Bundeswehrbürokratie und der Rüstungsunternehmen. Vor fünf Jahren wurde ein Besenstiel zum öffentlichen Symbol der inneren Auseinandersetzung: Bei einer NATO-Übung war die Bundeswehr mit einem Panzer ins Feld gezogen, bei dem ein Waffenrohr durch einen Besenstiel ersetzt worden war. Die Beschaffung neuer Ausrüstung und die Instandhaltung der alten funktioniert schlecht. Viele Waffensysteme sind nur zum Teil einsatzfähig. Regelmäßig klagen Regierungspolitiker darüber, dass „unsere Soldaten“ nicht ausreichend ausgerüstet seien, um in den Krieg zu ziehen. Diese Klagen sind einerseits Propaganda dafür, noch mehr Geld für den Rüstungshaushalt zu fordern. Andererseits arbeitet die Bundeswehrbürokratie nicht effizient. Im neuen Bericht der „Wehrbeauftragten“ des Bundestages, Eva Högl (SPD), klingt das so: „Es ist absolut unverständlich, dass es nicht gelingt, Beschaffungen selbst von kleinen Ausrüstungsgegenständen zu beschleunigen.“ Grund sei die „überbordende Bürokratie im Beschaffungswesen“.
Im Konflikt um das Sturmgewehr geht es auch darum, dass aus dem Verteidigungsministerium heraus das Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz übergangen werden sollte. Die Ausschreibung aus dem Ministerium war auf Haenel zugeschnitten: Die „Frankfurter Allgemeine“ spricht von „unklaren, teils unerreichbaren Kriterien“ und davon, dass die Ausschreibung „seltsam gut“ auf das Haenel-Angebot gepasst habe. Haenel allerdings ist ein Unternehmen, von dem nicht klar ist, ob es einen Auftrag in dieser Größe überhaupt erfüllen kann. Außerdem gehört Haenel einem Waffenkonzern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten – für „Verteidigungspolitiker“ keine Empfehlung.
Dass Heckler & Koch immer wieder illegal Waffen exportiert hat, ist kein Grund, das Unternehmen auszuschließen. Zur Zeit stehen Mitarbeiter des Konzerns vor Gericht, weil sie Gewehre nach Mexiko verkauft haben sollen, mit denen Polizisten Oppositionelle erschossen haben. Außerdem ist nicht klar, wem Heckler & Koch eigentlich gehört, auch darüber wird vor Gericht verhandelt. Im Hintergrund steht der französische Investor Nicolas Walewski, der auch Miteigentümer von Wirecard gewesen ist. Walewski hat die Kontrolle über Heckler & Koch offenbar mit einem Netzwerk aus ehemaligen deutschen Spitzenbeamten und Wirecard-Managern gesichert.
Dass überhaupt ein neues Sturmgewehr angeschafft werden soll, war auch ein Manöver aus dem Ministerium gegen die Beschaffungsbürokratie: Die Militärs beklagen sich nicht über das bisher verwendete G-36 von Heckler & Koch. 2015 verkündete die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), dass das G-36 „keine Zukunft in der Bundeswehr“ hat – neue Tests hätten gezeigt, dass das Gewehr nicht präzise trifft, wenn damit schnell und viel geschossen wird. Von der Leyen hatte versucht, eine eigene Truppe von Unternehmensberatern in den Kampf gegen die eingesessenen Bundeswehrbürokraten zu schicken – deren Kopf war die Staatssekretärin Katrin Suder, die von McKinsey in die Politik gewechselt hatte. Insgesamt floss eine halbe Milliarde Euro an diese Berater. Wie korrupt diese vorgegangen sind, untersucht der Untersuchungssausschuss des Bundestags zur „Berater-Affäre“.
Von der Leyen jedenfalls ist mit ihrem Feldzug gegen die Bundeswehrbürokratie gescheitert. Der Auftrag für Heckler & Koch erweckt den Eindruck, dass der alte Filz nicht durch einen neuen ersetzt werden wird. Der Rüstungshaushalt wächst weiter – und damit die Anlässe, darum zu streiten, welche Unternehmen von Bundeswehraufträgen profitieren dürfen.