Die SPD beschließt ihr Wahlprogramm, aber keine Vermögenssteuer

Verbeugung vor Konzernlobbyisten

Von Nina Hager

Mit seiner Rede auf dem Wahlparteitag der SPD, der am vergangenen Sonntag in Dortmund stattfand, begeisterte er seine Genossinnen und Genossen: Martin Schulz gab sich angriffslustig, auch gegenüber CDU, CSU sowie Kanzlerin Merkel. Unterstützt wurde er von Altkanzler Gerhard Schröder, hauptverantwortlich für die Agenda 2010 und Hartz IV. Das SPD-Wahl- und zugleich Regierungsprogramm „Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit: Zukunft sichern, Europa stärken“, wurde nach der Antragsdebatte bei nur einer Enthaltung angenommen. Die SPD bleibt – mit Ausnahme einiger kleiner kosmetischer Korrekturen – Agenda-10- und Hartz-IV-Partei. Sie will auch die Superreichen nicht stärker besteuern. Aber immerhin soll jetzt der Wahlkampf der SPD richtig „losgehen“.

Ob die SPD aber mit diesem Programm wenigstens jene zurückgewinnen kann, die sie nach dem Schulz-Hype im Laufe der letzten Monate wieder verloren hat? Es sind vor allem Menschen, die der SPD die Kompetenz in wichtigen Fragen wie soziale Gerechtigkeit, Gesundheit, innere Sicherheit absprechen, die das Rentenkonzept der Partei nicht überzeugt, weil sie sich angesichts ihrer eigenen Einkommen und ihrer Erwerbsbiografien ausrechnen können, was sie, würde dieses Konzept umgesetzt, im Alter erhalten würden.

In der Partei war vor dem Parteitag aber vor allem das nur wenige Tage zuvor vorgelegte Steuerkonzept umstritten. Die Parteilinke sowie die Jusos hatten Widerstand angekündigt, forderten die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann hatte erklärt, die Vermögenssteuer sei Teil des SPD-Grundsatzprogramms: Doch am Vorabend des Parteitags knickten Parteilinke und Jusos ein.

Die SPD will nun im Fall eines Sieges bei der Bundestagswahl im Herbst kleine und mittlere Einkommen sowie Familien um jährlich 15 Milliarden Euro entlasten. Das ist – und das ist auffällig oder gewollt – genau derselben Betrag, um den auch die Union die Steuern senken will. Allerdings setzt die andere Prioritäten. Die SPD werde Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten, kündigte Kanzlerkandidat und Parteichef Martin Schulz bei der Vorstellung des SPD-Steuerkonzepts an. Ab höheren Beträgen als bislang. Erstmals seit 40 Jahren soll der Spitzensteuersatz steigen. Von 42 auf 45 Prozent, aber erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 76200 Euro (bisher rund 54000 Euro) jährlich. Ab einem zu versteuernden Einkommen von 250000 Euro soll es einen weiteren Aufschlag von drei Prozent geben. „Wir haben solide gerechnet und versprechen nichts, was wir nicht halten können“, so Schulz.

Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer steht nicht im Programm. Schulz wollte sie nicht haben, mehrere Landesverbände hatten sie vor dem Parteitag ebenso abgelehnt wie in der Partei organisierte Unternehmer. Begründet wurde die Ablehnung übrigens u. a. mit verfassungsrechtlichen Bedenken. In anderen Fragen, vor allem bei Gesetzesvorlagen und Gesetzesänderungen, die die Große Koalition zur Abstimmung im Bundestag stellte, hatten die Verantwortlichen in der SPD keine solchen Bedenken. So im Zusammenhang mit der Reform der Strafprozessordnung, die am vergangenen Donnerstag mit den Stimmen der Koalition beschlossen wurde, und die alle Bürgerinnen und Bürger im Land betreffen wird.

Nun soll ein Arbeitskreis eingesetzt werden, der sich auch mit den Verfassungsfragen beschäftigen soll. Wer sich ein wenig im Politikbetrieb auskennt weiß: Mit dieser SPD kommt die Vermögenssteuer bestimmt nicht …

Für die CDU und CSU gehen jedoch selbst die jetzt vorliegenden zahmen SPD-Steuerpläne viel zu weit. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble behauptete in der ARD, hinter diesen Steuerplänen verberge sich für viele eine Steuererhöhung. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Kretschmer, erklärte gegenüber dem „Mitteldeutschen Rundfunk“, die von der SPD geplanten Entlastungen der unteren Einkommen würden für Ungerechtigkeit bei mittleren Einkommen und Selbstständigen sorgen.“ Nur aus der FDP gab es von dem Bundesvorstandsmitglied und Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff eine Sympathiebekundung.

Sahra Wagenknecht, Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Partei „Die Linke“ kritisierte den Verzicht der SPD auf eine Vermögenssteuer im Wahlprogramm scharf. Am Montag erklärte sie gegenüber der Zeitung „Welt“, als Kanzlerkandidat Schulz nominiert worden sei, habe es bei vielen die Hoffnung gegeben, dass die SPD wieder eine sozialdemokratische Partei werde: „Tatsächlich hat die Partei nun ein Wahlprogramm beschlossen, das sich noch ängstlicher vor den Wünschen der Konzernlobbyisten und Superreichen verbeugt als frühere Programme.“ Und: „Eine SPD, die nichts wesentlich anders machen will als die Union, braucht kein Mensch.“

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"Verbeugung vor Konzernlobbyisten", UZ vom 30. Juni 2017



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