„Veränderung kriegst Du nicht durch Kritik von außen“

Lars Mörking im Gespräch mit Olaf Harms

UZ: Im Leitantrag wurde die organisatorische und politische Stärkung der Gewerkschaften als Aufgabe von Kommunistinnen und Kommunisten formuliert. In den Berichten auf dem Parteitag wurde deutlich, dass in manchen Orten und Betrieben Gewerkschaftsstrukturen erst einmal aufgebaut werden müssen, gleichzeitig gab es deutliche Kritik an der derzeitigen Politik der DGB-Gewerkschaften. Sollten wir uns nicht lieber auf den Aufbau von Parteistrukturen konzentrieren, anstatt den Aufbau dieser auf Sozialpartnerschaft ausgerichteten Gewerkschaften zu betreiben, die sich aus der Fläche mehr und mehr zurückziehen?

Olaf Harms, Leiter der Kommission Betrieb und Gewerkschft der DKP

Olaf Harms, Leiter der Kommission Betrieb und Gewerkschft der DKP

Olaf Harms: Natürlich sind die Gewerkschaften eher im Sozialpartnerschaftlichen verhangen. Es gibt einen Teil der Gewerkschaftsbewegung, der sich davon löst – insbesondere bei ver.di und bei der GEW vielleicht, aber zunächst einmal sind auch diese Gewerkschaften und ihre Führungen davon geprägt, dass sie sozialpartnerschaftlich handeln und denken.

Das heißt doch aber doch nur, dass wir, um das zu verändern, stärker in den Gewerkschaften inhaltlich diskutieren müssen. Standortlogik und Sozialpartnerschaftsdenken bleiben nicht unhinterfragt, wo Kommunistinnen und Kommunisten diskutieren.

Mein Eindruck ist, dass die linken, dass die kämpferischen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter noch viel zu wenige sind. Eine Veränderung kriegst Du nicht durch Kritik von außen, sondern nur innerhalb der Gewerkschaften hin. Die Orientierung auf gewerkschaftliche Strukturen und deren Aufbau, deren Stärkung ist also richtig, gerade auch dann, wenn man Kritik daran hat.

UZ: In der Handlungsorientierung wird festgestellt, dass die DKP nur noch „sehr wenige Betriebsgruppen“ hat. Wie kann die Arbeit im Bereich Betrieb und Gewerkschaften aussehen und umgesetzt werden, wenn es nur noch wenige Gruppen gibt, die betrieblich verankert sind? Wie kann die Arbeit dort geleistet werden, wo keine betriebliche Verankerung besteht und wie können Genossinnen und Genossen, die nicht an eine Betriebsgruppe oder gar an eine Ortsgruppe angebunden sind, ihre Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit entwickeln?

Olaf Harms: Die Frage ist, womit sollen wir anfangen, was machen wir zuerst, was machen wir als zweites? Das ist schwierig und aus meiner Sicht individuell zu klären.

Zunächst einmal ist doch richtig, dass man im Bezirk die Genossinnen und Genossen in der Partei zusammenführt, die in Gewerkschaften und Betrieben unterwegs sind. Da muss geschaut werden, wen gibt es da eigentlich und was kann man machen.

Und gleichzeitig ist es doch aber so, wenn wir die Genossinnen und Genossen haben, die bereits aktiv sind in den Betrieben, die vielleicht von Wohngebietsgruppen in ihrer Arbeit unterstützt werden können, dass dann auch der Versuch unternommen wird, die Partei in den Betrieben zu verankern.

Ich glaube nur, dass bei dem derzeitigen Antikommunismus, der letztendlich ja auch gegen Gewerkschaften gerichtet ist, ein erster Schritt schon einmal sein kann, überhaupt erst einmal zu überlegen, macht der Aufbau gewerkschaftlicher Strukturen im Betrieb nicht mehr Sinn und dann auch die Bildung von Betriebsräten. Wo es noch keine gewerkschaftliche Organisation gibt ist das ein Ausgangspunkt für die politische Arbeit im Betrieb.

Nur scheinbar steht da Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit gegen Parteiarbeit, ich sehe das aber gar nicht als Gegensatz.

UZ: Du hast die Rolle der Bezirke angesprochen. Welche Rolle siehst Du für die Kommission Betrieb und Gewerkschaft auf zentraler Parteiebene und welche Bilanz ziehst Du für die Arbeit in den vergangenen Jahren?

Olaf Harms: In den letzten zweieinhalb Jahren haben wir das, was im Rahmen unserer Kräfte möglich war, tatsächlich auch gemacht. Wir haben uns erstmals wieder seit langer Zeit mit zentralen Flugblättern in Tarifauseinandersetzungen eingemischt, bei der Metalltarifrunde nämlich. Wir haben zu zwei Fragen gewerkschaftspolitische Foren durchgeführt, einmal zur Frage Tarifpolitik und einmal zur Frage Industrie 4.0. Und wir sind das Thema TTIP richtig früh angegangen.

Meine Bilanz: Das, was uns gelungen ist, ist uns richtig gut gelungen. Wenn etwas nicht gelaufen ist, dann hatte es etwas mit Ressourcen zu tun. Da gilt es, die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen.

UZ: Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung nimmt für die DKP weiter einen hohen Stellenwert ein. Es wird sogar formuliert, dass sie die „Kämpfe zusammenführen kann“. Was ist damit gemeint bzw. wie kann das aussehen?

Olaf Harms: Der vorletzte Parteitag hatte bereits ein Grundlagendokument zu Arbeitszeitverkürzung beschlossen. Wir haben nach dem letzten Parteitag eine Broschüre zum Thema Arbeitszeitverkürzung gemacht. Wenn wir uns verschiedene Probleme anschauen, ob das nun befristete Beschäftigung ist – mit oder ohne Sachgrund –, ob es Teilzeitbeschäftigung ist, Niedriglohnsektor … all das was letztendlich prekäre Beschäftigung ist, dann ist das ein Teil der Ausgangslage.

Ein anderer ist die Frage der Produktivität, die Jahr für Jahr ansteigt, ohne dass etwas davon bei der Arbeiterklasse ankommt. Wir haben jetzt gerade mal ein Jahr hinter uns, wo es kaum Reallohnabbau gegeben hat – je nachdem wie man das sieht – die 15 Jahre davor gab es einen spürbaren Reallohnverlust. Wir sind jetzt gerade mal im zweiten Jahr, wo diese Entwicklung ein wenig gestoppt wurde.

Jetzt kommt dazu – nach Ansicht der beiden großen Gewerkschaften ver.di und IG Metall – dass das, was Digitalisierung der Arbeit genannt wird, in zehn, 15 oder 20 Jahren einen echten Einfluss auf die Frage hat, wieviel Beschäftigte noch gebraucht werden. ver.di und hier unter anderem Lothar Schröder bringt das häufiger ins Gespräch, dass hier über eine Arbeitszeitverkürzung nachgedacht werden muss.

Ich glaube, dass das Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf 30 Stunden als Sofortforderung und als erster Schritt, dass das tatsächlich die verschiedensten Abwehrkämpfe – also gegen prekäre Beschäftigung, für unbefristete Arbeitsverhältnisse, für Vollzeitbeschäftigung, Bewältigung der Folgen der Digitalisierung der Arbeit – zusammenführt. Weil wenn ich mir jeden einzelnen Strang ansehe, kann ich immer nur sagen, dass eine Arbeitszeitverkürzung die Situation in allen Fällen erheblich verbessert.

Die Arbeitszeitverkürzung wird auch einer Beschäftigung nach saisonalem Bedarf – einer Politik des Heuern und Feuern – einen Riegel vorschieben, weil die Nachfrage nach unbefristetem Personal merklich steigen wird. Das Gleiche gilt für Teilzeit.

Und auch was die Digitalisierung der Arbeit betrifft, wird es bedeuten, dass die dann verbliebene Arbeit auf mehr Schultern verteilt wird.

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"„Veränderung kriegst Du nicht durch Kritik von außen“", UZ vom 27. November 2015



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