In Europa dreht sich das Rüstungskarussell gerade mit atemberaubender Geschwindigkeit – und Deutschland ist dabei. 100 Milliarden Euro sollen verbraten werden vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der verkündeten „Zeitenwende“ – fast ohne Widerstand im Parlament oder auf der Straße. Doch es geht noch besser. Japan will, umgerechnet, in den nächsten fünf Jahren 300 Milliarden Euro fürs Militär ausgeben.
Japan, das Land der aufgehenden Sonne, baute einmal ziemlich gute Autos, überschwemmte uns mit Elektrogeräten aller Art und war am Ende des Zweiten Weltkriegs – bisher – einziges Opfer von Atombombenangriffen. Auch wer keine Ahnung hat von Japan, die Städtenamen Hiroshima und Nagasaki kennt jeder. 100.000 Menschen starben sofort und in den nächsten fünf Monaten weitere 130.000. Nun, Japan führte seinen Zweiten Weltkrieg in Asien erbarmungslos – bis 1943 hatte man große Teile des ostasiatisch-pazifischen Raumes okkupiert und agierte dort mit Terror gegen die Bevölkerung. Doch die atomare Massenvernichtung kurz vor Kriegsende war ein barbarischer Akt gegen die japanische Zivilbevölkerung ohne militärischen Sinn, auch wenn es hier und da gegenteilige Behauptungen gibt. Aus diesem traumatischen Erlebnis resultiert der Artikel 9 der japanischen Nachkriegsverfassung, in dem es heißt: „In aufrichtigem Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten. Um das Ziel des vorhergehenden Absatzes zu erreichen, werden keine Land-, See- und Luftstreitkräfte oder sonstige Kriegsmittel unterhalten. Ein Recht des Staates zur Kriegführung wird nicht anerkannt.“
Daraus sollte man schließen können, dass Japan keine oder nur eine sehr kleine Armee hat, die aufgrund des zitierten Verfassungsartikels auch nicht Armee, sondern „Selbstverteidigungskräfte“ heißt. Doch diese Kräfte sind erheblich. Fast eine Viertelmillion Soldaten hat das ostasiatische Land unter Waffen. Laut der britischen „Times“ hatte Japan bereits 1988 den drittgrößten Wehretat, nach den USA und der Sowjetunion. 2007 war es der viertgrößte, nach den USA, Britannien und China. Und seit Beginn der 2000er Jahre wird auch eine heftige Debatte über die Streichung jenes Artikels 9 geführt, der den Konservativen und den Militärs schon lange ein Dorn im Auge ist.
Die neue Aufrüstungswelle hat jedoch eine neue Qualität. Japan verfügt schon heute über ein reichhaltiges Waffenarsenal: Die Luftstreitkräfte umfassen knapp 800 Fluggeräte, davon etwa 300 Kampfflugzeuge, die Marine besitzt zusätzlich 154 Flugzeuge und ebenso viele Hubschrauber. Darüber hinaus verfügt sie über vier als Hubschrauberträger bezeichnete Flugzeugträger, 45 größere Kampfschiffe sowie 22 U-Boote. Nun sollen nach dem Willen der japanischen Regierung unter anderem 300 Marschflugkörper der Tomahawk-Klasse, weitere Raketen für die Schiffsbewaffnung und weitere 125 Lockheed F-35 zu den bereits vorhandenen 20 dazu kommen. Zusammen mit den schon verfügbaren 155 F-15-Maschinen besitzt Japan dann eine beträchtliche Schlagkraft, die es gegebenenfalls auch einsetzen würde, um Taiwan gegen China zu „verteidigen“.
Überhaupt richten sich die japanischen militärischen Bestrebungen gegen ihre Lieblingsfeinde seit 1894. In jenem Jahr bekriegte Japan China und besetzte unter anderem Taiwan. Dann folgte ein Krieg gegen Russland. Beide sind auch heute nach japanischer Lesart Hauptgegner. Hinzu kommt die KVDR, wegen der Bedrohung durch deren Atomraketen. Nun, Koreaner haben einige Erinnerungen an die Japaner, die die Koreanische Halbinsel 1911 quasi zu ihrer Kolonie machten, sich dort als Herrenmenschen aufführten und erst 1945 von der Roten Armee wieder vertrieben wurden. Die heutigen japanischen Machtambitionen werden realisiert im Schatten des Ukraine-Krieges – gemeinsam mit dem Hassfreund USA.