Anfang Mai begann in einem sehr kleinteilig organisierten Bereich eine harte Tarifauseinandersetzung: Beschäftigte aus den Kitas, im sozialen Bereich, in den Jugendämtern, der Psychiatrie, der Behinderten-, Familien und Drogenhilfe haben einen unbefristeten Streik ausgerufen, an dem zwischen 25 und 30 Prozent der Beschäftigten teilnahmen. Dieser Streik im Sozial- und Erziehungsdienst ist nicht nur eine gewerkschaftliche Auseinandersetzung, sondern er wurde auch über die Gewerkschaft hinaus gesellschaftlich flankiert. Unterstützung fanden die Kolleginnen und Kollegen z. B. bei den Elternvertretungen, die den Streik mit der Übergabe von über 50 000 Unterschriften an die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) unterstützt haben. An einigen Orten wurden Aktionskomitees zur Unterstützung der Streikenden gebildet. Nach rund vier Wochen Streik hatte der VKA die Schlichtung angerufen, basierend auf einer alten Vereinbarung der ÖTV noch aus den siebziger Jahren. In der letzten Woche wurde das Ergebnis der Schlichtung in der Tarifauseinandersetzung Sozial- und Erziehungsdienst für die rund 240 000 Beschäftigten bekanntgegeben.
ver.di forderte eine grundsätzliche Aufwertung der Arbeit am Menschen durch umfassende Um- und Neugruppierungen innerhalb des Gehaltstarifvertrages und in der Folge eine rund zehnprozentige Steigerung der Entgelte für alle Beschäftigten. Nach dem Schlichtungsergebnis sollen nur Teile der Beschäftigten mit etwas mehr als über drei Prozent abgespeist werden, dafür aber eine Tarifvertragsdauer von fünf (!) Jahren akzeptieren.
Harte Tarifauseinandersetzungen gibt es auch für die rund 140 000 Beschäftigten bei der Post. Die Kolleginnen und Kollegen befinden sich seit Anfang Juni ebenfalls im unbefristeten Streik. Um eine erwartete Steigerung des Gewinns von drei auf rund fünf Milliarden Euro zu erreichen, hat die Deutsche Post AG Anfang des Jahres 49 Regionalgesellschaften gegründet, in denen vornehmlich bisher befristet beschäftigte Postbeschäftigte eingestellt wurden. Zwar werden sie fest angestellt, die Entgelte liegen aber 20 Prozent unter dem bisher geltenden Tarifvertrag. Dass mit der Gründung der Regionalgesellschaften auch bestehende Vereinbarungen zwischen ver.di und der Post AG zur Beschäftigungssicherung verletzt werden, interessiert weder den Postvorstand noch die Bundesregierung, die mit 21 Prozent Aktienbesitz immerhin einer der Hauptanteilseigner ist. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Post auch Streikbrecher neuer Art kreiert: So „helfen“ neben Beamten inzwischen auch Beschäftigte der Firmenkunden der Post bei der Sortierung der aufgrund des Streiks liegengebliebenen Postsendungen.
Bemerkenswert ist bei diesen beiden Auseinandersetzungen, dass sich die Arbeitgeber so gut wie gar nicht bewegen. Es scheint beinahe, als ob das Kapital Exempel statuieren will, die auf zukünftige Tarifauseinandersetzungen richtungsweisend wirken sollen: Arbeit soll billig bleiben, nicht zuletzt wegen der immer wieder beschworenen Wettbewerbsfähigkeit. Outsourcing zum Zwecke des Lohndumpings und der Tarifflucht soll endgültig gesellschaftsfähig werden.
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di steht hier vor einem Scheideweg, den die FAZ am 26.06.15 in folgende Frage gekleidet hat, nämlich „… ob ver.di noch die Traditionen einer kompromissorientierten Sozialpartnerschaft pflegen will oder ob die Idee einer gesellschaftlichen ‚Gegenmacht‘ … die Oberhand gewinnt. Neben dem Kita-Streit ist die fast grenzenlose Eskalation des Tarifstreits um die Unternehmensstruktur der Deutschen Post ein Symptom dafür…“.
Die Antwort auf diese Frage kann im Konkreten nur lauten: Nein zum Schlichtungsergebnis im Sozial- und Erziehungsdienst bei Veränderung der Streiktaktik. Nein zum Lohndumpingprogramm der Post AG.
Um zu einem Erfolg zu kommen, sind die Beschäftigten nicht nur gewerkschaftsübergreifend in ihren Kampfmaßnahmen zu unterstützen, sondern bedürfen der Hilfe aus der Gesellschaft, also von Eltern, Nachbarn, Postkunden – letztlich von allen, die nicht wollen, dass Tarifkämpfe zum kollektiven Betteln verkommen. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Sozial- und Erziehungsdienst und der Post können dabei auf die Unterstützung der Kommunistinnen und Kommunisten zählen.