Beim G-20-Treffen in Baden-Baden wirkt die Trump-Regierung isoliert

Vasallen proben den Aufstand

Von Klaus Wagener

„Deutschland schuldet der Nato und den USA riesige Summen für die mächtige und sehr teure Verteidigung, die sie für Deutschland bereitstellen.“ Nur einen Tag nach dem Besuch der Kanzlerin in Washington machte US-Präsident Trump per Twitter seine Rechnung an die europäischen, vorrangig die deutschen Vasallen auf. Nur die USA, Estland, Großbritannien und – Griechenland erfüllen gegenwärtig das auf der Prager Nato-Tagung, 2002, festgeschriebene Ziel, zwei Prozent des BIP für Krieg und Rüstung auszugeben. Der Prager „Wiedergeburts“-Gipfel, bei dem, nach den Anschlägen in New York im September 2011, die Rolle der NATO als US-geführte, globale Interventionsmacht festgeschrieben wurde, stieß in den strategischen Zirkeln der Bundesrepublik auf ein unterschiedliches Echo. Die einträgliche politökonomische Germanisierung der EU erschien selbst Atlantikern vorrangig gegenüber der kostspieligen Vision, auf allen Kriegsschauplätzen des Mittleren Ostens den devoten Hiwi der US-Interessen zu spielen. Die Rüstungsausgaben der Bundesrepublik verharrten bei etwa 1,2 Prozent/BIP. Die USA versenkten 6 Billionen Dollar in die Zerstörung des Nahen und Mittleren Osten und Teilen Nordafrikas.

Diese für das ökonomisch schwächelnde Imperium horrenden Repressionskosten haben die US-Staatsschulden dramatisch steigen lassen. Die Obama-Regierung machte pro Jahr im Schnitt 1 250 Mrd. Dollar neuer Staatsschulden. Ein auf Dauer unhaltbarer Zustand, selbst für eine Weltmacht. Donald Trump ist nun angetreten, die imperialen Verhältnisse wieder zurechtzurücken: „America first.“

Der in der Europapolitik zu neuem Selbstbewusstsein erwachte deutsche Imperialismus zeigt sich allerdings wenig geneigt, in seiner alten Vasallenposition zu verharren. Krieg ist ja schon okay, aber doch bitte auf eigene Faust und zu eigenen Zwecken. Der von der deutschen Kriegsministerin geforderte „Aktivitätsindex“ – eine bemerkenswerte Formulierung – liegt ganz auf dieser Linie. Das anhaltende Trump-Bashing ermöglicht die emotional-ideologische Unterfütterung einer vor Monaten nicht für möglich gehaltenen Absetzbewegung des deutsch-europäischen Blocks von der Dominanz des Imperiums. Die geheimdienstlich konstruierte Nähe Trumps zum Ultrabösewicht Putin tut ein Übriges. Die Damen von der Leyen und Merkel, aber auch Wolfgang Schäuble im Finanzministerium, beharren in nicht gekannter Hartnäckigkeit auf der Verfolgung deutscher geostrategischer und ökonomischer, ganz eigener Interessen und wissen sich dabei mit den merkantilistischen Exportmächten Japan und China weitgehend einig. Es deutet sich so etwas an wie eine „Freihandelsachse“ Berlin-Peking-Tokio gegen ein zukünftig protektionistisches Washington. Es geht um die Weiterexistenz des für die Überschussländer hochprofitab­len Ausplünderungsmodus.

Zwar trat der neue US-Finanzminister Steven Mnuchin auf dem G20-Finanzminister-Treffen in Baden-Baden geschäftsmäßig freundlich auf, verweigerte aber die rituelle Verurteilung des Protektionismus im Kommunique. Wie genau er das erklärte Ziel der Reduktion des US-Handelsdefizits (und damit der deutsch-chinesischen Überschüsse) erreichen will – im US-Wahlkampf waren die Neuverhandlung von Handelsabkommen und Importzöllen angekündigt – blieb aber ebenso unklar wie das angekündigte Industrialisierungs- und Jobprogramm. Dem nun veröffentlichten Haushaltsentwurf ist eine solche Initiative kaum zu entnehmen. Der konjunkturpolitisch eher begrenzt wirksamen Erhöhung des Rüstungshaushaltes stehen umfangreiche, kontraktiv wirkende Streichungen im sozialen und Agrar-Bereich, in der staatlichen Daseinsvorsorge und im Umweltschutz gegenüber. Die angekündigten Investitionen in die Infrastruktur sind schlicht nicht vorhanden. Die Streichung von Umweltschutzauflagen wird jedenfalls nicht reichen.

Bislang wurde der Amtsantritt des neuen Präsidenten von einem Börsenboom begleitet. Der Optimismus der Finanzspekulanten ist eine ungedeckte Wette auf die Zukunft. Federal-Reserve-Chefin Janet Yellen, und hier tut sich die nächste Front im Kampf der Machtblöcke auf, ist dabei, im Gegensatz zur EZB die Zinsen aus dem Null-Prozent-Krisenmodus nach oben zu steuern. Mit nicht unbedingt belebender Wirkung für die US-Konjunktur. Neben den Angriffen aus den Tiefen des Staates weht der Trump-Regierung auch von Seiten der eigenen Geldpolitik der Wind ins Gesicht. Es könnte für Donald Trump schwieriger werden als gedacht, die imperialen Verhältnisse wieder zurechtzurücken.

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"Vasallen proben den Aufstand", UZ vom 24. März 2017



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