Der Berliner Polizei wurde schweres Unrecht angetan. Jahrelang kolportierte die linke Bewegung das Bild von uniformierten Gewalttätern, angetrieben von obrigkeitshörigen Schreibtischhengsten, die unter kuriosen Vorwänden das Versammlungsrecht beschnitten. Doch der Rechtsstreit über das Fahnenverbot am 8. und 9. Mai hat uns eines Besseren belehrt. Denn vor dem Verwaltungsgericht in Berlin wurde Erstaunliches bekannt: Die Berliner Polizei liest die UZ!
In einem Schreiben der Behörde an das Verwaltungsgericht werden den Richtern mehrere Artikel zur Lektüre empfohlen. Die Polizei verweist auf einen Beitrag unserer Chefredakteurin mit dem Titel: „Wer hat Angst vorm 8. und 9. Mai?“. Dort werde der damalige ukrainische Botschafter Melnyk als „Bandera-Freund“ bezeichnet. Das hat die Polizei schön gelesen. Doch es gibt einen großen Unterschied zwischen Lesen und Verstehen. Die Schlussfolgerung der Polizei im Wortlaut: „Der Verweis auf die ‚Kriegspropaganda‘ und darauf, dass der ukrainische Botschafter ein ‚Bandera-Freund‘ (gemeint ist Stefan Bandara) sei, ist eine weitere klare Andeutung darauf, dass die DKP das russische Narrativ teilt.“ Von der fast schon niedlich-naiv-falschen „Korrektur“ des Namens des Faschisten einmal abgesehen, müssen wir den neuen Lesern in den Berliner Wachen wohl auch politisch auf die Sprünge helfen. Bis unsere Bildungsarbeit Früchte trägt, scheint die Frage beantwortet: Wer hat Angst vorm 9. Mai?