Zum Besuch Nancy Pelosis in Taiwan

USA provozieren China

Was bei oberflächlicher Betrachtung aussieht wie ein harmloser Touristentrip, ist nichts weniger als ein grundstürzendes Ereignis: Nancy Pelosi will Taiwan einen Besuch abstatten. Genauer: Die dritte Person in der politischen US-Hierarchie, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, will den Separatisten in Taipeh mit einem natürlich abgestimmten, offiziellen Besuch zu einer De-facto-Anerkennung verhelfen. Das Unternehmen wird militärisch flankiert durch die demonstrative Präsenz einer US-Flugzeugträger-Kampfgruppe im Südchinesischen Meer. Dabei ist völlig klar, dass so etwas in Peking als offene Kriegserklärung aufgefasst werden muss. Und wie sich dem Gespräch zwischen US-Präsident Biden und Chinas Präsident Xi Jinping entnehmen lässt, wohl auch wird.

Xi Jinping hat es, ebenso wie Wladimir Putin, an klaren Worten nicht fehlen lassen: „Jene, die mit Feuer spielen, werden durch das Feuer umkommen.“ „Niemand soll sagen, wir hätten ihn nicht gewarnt.“ China blufft nicht. Ebenso wie Moskau in Fragen der nationalen Sicherheit, versteht Peking keinen Spaß in Fragen der nationalen Souveränität und territorialen Integrität. Und das schließt den Einsatz militärischer Mittel selbstredend ein. Der chinesische Truppenaufbau im Küstenbereich zu Taiwan ist nicht zu übersehen. Taiwan ist chinesisches Territorium seit hunderten von Jahren. Nur im „Jahrhundert der Demütigung“ konnte das japanische Kaiserreich von 1895 bis 1945 hier eine Kolonialherrschaft errichten. Eine für das chinesische Gedächtnis traumatische Erfahrung.

Die Biden-Regierung war von vielen, auch linken Beobachtern mit Vorschusslorbeeren und der Hoffnung bedacht worden, dass sie die US-Außenpolitik wieder in eine rationalere, weniger aggressiv-militante Richtung steuern würde. Das Gegenteil ist der Fall. Die US-Neocons haben die volle Kontrolle auch über die Außenpolitik der ausgesprochen schwachen und inkompetenten Biden-Mannschaft. Sie haben die Aufrüstung des US-Vasallenstaates Ukraine zu einem aggressiven antirussischen Frontstaat betrieben und die Lage immer weiter zugespitzt, bis Moskau keine andere Wahl blieb als einzugreifen. Das gleiche Szenario wiederholt sich nun mit Taiwan. Auch Taiwan ist seit den Zeiten Chiang Kai-sheks ein von Washington ausgehaltener und gegen die Volksrepublik aufgebauter US-Satellit. In den letzten Jahren ist Taiwan immer mehr mit modernen US-Rüstungsgütern und verdeckten US-Ausbildern zu einer relevanten Militärmacht hochgerüstet worden. Die Parallelen zur Ukraine sind unübersehbar. Allerdings gehen alle – westlichen – Szenarien im Kriegsfall von einem schnellen, entschiedenen Sieg der Chinesen aus. Washington scheint begierig, seiner langen Liste von Niederlagen eine weitere hinzuzufügen.

Unter Präsident Nixon bekannten sich die USA Anfang der 1970er Jahre als Gegenleistung für die antisowjetische, proamerikanische Positionierung Pekings vertraglich zur Ein-China-Politik. Die Volksrepublik nahm den Platz Taiwans in der UNO und im UN-Sicherheitsrat ein. Verbal hält Washington bis heute an dieser Ein-China-Politik fest. De facto betreibt das Weiße Haus das Gegenteil, die sukzessive Sezession Taipehs und seine Aufrüstung gegen Peking, bis die juristische Anerkennung nur noch ein formaler Akt ist. An diesem Punkt befinden wir uns. Wie schon für Moskau, hat Washington den Konflikt für Peking unausweichlich gemacht. Mit dem Unterschied, dass diesmal die Atommächte USA und China auch direkt ihre Waffen aufeinander gerichtet haben. Im Gegensatz zur Ukraine hat Joseph Biden Taipeh auch direkte militärische Unterstützung zugesichert.

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"USA provozieren China", UZ vom 5. August 2022



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