Der nächste Angriff der Vereinigten Staaten im großen Kampf um die Weltmacht hat begonnen. Als US-Präsident Donald Trump am 29. Mai seine Pressekonferenz zum Konflikt mit China beendete, da war noch nicht klar, wie die jüngsten US-Zwangsmaßnahmen gegen die Volksrepublik im Detail aussehen würden. Klar war aber: Washington nimmt nun auch Hongkong ins Visier. Neben anderen Repressalien werde seine Regierung die „bevorzugte Behandlung“ der einstigen britischen Kolonie einstellen, erklärte Trump. Zum Strafzollgemetzel, zum Technologiekampf gegen Huawei und andere High-Tech-Konzerne sowie zu diversen weiteren Attacken kommt nun also im US-Wirtschaftskrieg gegen China ein neues Schlachtfeld hinzu.
Die Folgen für Peking sind, solange die konkreten US-Zwangsmaßnahmen noch nicht feststehen, nur schwer abzuschätzen. Sie könnten durchaus einschneidend sein. Hongkong hat zwar nicht mehr die besondere Bedeutung, die es einst für die Wirtschaft der Volksrepublik hatte: Sein Hafen ist beim Containerumschlag nicht mehr der größte in China, sondern nur noch die Nummer fünf; seine Wirtschaftsleistung liegt längst hinter derjenigen der benachbarten IT-Metropole Shenzhen zurück. Dennoch besitzt die Stadt als Finanzzentrum unverändert besondere Attraktivität für westliches Kapital. Chinesische Konzerne, die an der New Yorker Börse gelistet sind und seit geraumer Zeit fürchten müssen, dort ausgeschlossen zu werden, sichern sich zunehmend durch eine Zweitlistung an der Hongkonger Börse ab. Schadenspotenzial ist also da. Nicht, dass es nicht schon genügend Probleme gäbe: Die Strafzollschlachten zehren, und ganz besonders der jüngste Versuch der Trump-Regierung, Huawei von möglichst sämtlichen Chip-Lieferanten weltweit abzuschneiden, wiegt schwer – die Halbleiterproduktion ist eine gefährliche Achillesferse der chinesischen Industrie.
Allerdings birgt der Wirtschaftskrieg auch zahlreiche Gefahren für die US-Industrie. Stichwort Hongkong: Dort sind zur Zeit rund 1.300 US-Unternehmen aktiv, nicht zuletzt, weil viele über die Metropole ihre hochprofitablen China-Investitionen abwickeln, fügt Washington der Stadt nun Schäden zu, trifft es auch sie. Nicht grundlos hat die U. S. Chamber of Commerce gewarnt, die Einstellung der „bevorzugten Behandlung“ Hongkongs sei ein „schwerer Fehler“. Der Trumpsche Wirtschaftskrieg gegen die Volksrepublik hat von Anfang an Kollateralschäden auf eigener Seite verursacht – von US-Farmern, deren Soja in großen Mengen verrottete, weil sie es nicht mehr an chinesische Kunden verkaufen konnten, bis zu Verbrauchern, die – in Form höherer Preise auf chinesische Waren – letztlich die Strafzölle ihres Präsidenten bezahlen. Daneben gibt es ein häufig übersehenes, auf lange Sicht aber ernstes Problem: Was, wenn es der Volksrepublik gelingt, zum Beispiel die Halbleiter, die ihr noch fehlen, in einigen Jahren selbst herzustellen? Dann hätte die US-Industrie nicht nur den weltgrößten Markt verloren, auf dem sie heute lukrative Profite erzielt; sie hätte zudem auch dort, wo das jetzt noch nicht der Fall ist, starke Konkurrenz aus China am Hals.
So unübersichtlich die Lage auch ist: Der Wirtschaftskrieg zwischen den beiden Weltmächten wird wohl noch weiter eskalieren. Washington hätte die Option, Sanktionen gegen chinesische Banken zu verhängen. Umgekehrt befinden sich manche US-Konzerne mit ihren Produktionsstätten in China auf dem Präsentierteller: Schon allein penible, zeitraubende Kontrollen in Fabriken, die Apple-Produkte herstellen, könnten dem Unternehmen schwerste Schäden zufügen, urteilen Branchenkenner. Peking hat sich bei den Daumenschrauben bislang zurückgehalten: Drohungen können lange wirken; ihre Ausführung aber nützt nur einmal. Allerdings nehmen die Stimmen in China zu, die warnen, Trump habe inzwischen die Büchse der Pandora geöffnet. Gut möglich, dass es bald zu umfassenderen Gegenschlägen Pekings kommt. Eskalationspotenzial ist im Übermaß da.