Trump erfindet bevorstehendes Massaker und verhindert es anschließend

US-Märchen über Syrien

Von Manfred Ziegler

Am 26. Juni behauptete der US-Präsident, die syrische Armee würde ein weiteres Massaker vorbereiten – einen Angriff mit Chemiewaffen. Trump und sein Militär erklärten, Syrien würde für den Einsatz von Chemiewaffen teuer bezahlen. Am nächsten Tag konnten sie zufrieden erklären: Das Massaker fiel aus, unsere Drohungen haben gewirkt. Damit verschärfen die USA erneut die Konfrontation – vor allem gegenüber der Russischen Föderation.

US-Außenminister Colin Powell war beim UN-Sicherheitsrat als Märchenerzähler beliebt. Das Bild zeigt ihn, während er seine Geschichte von irakischen Waffenprogrammen vorträgt (5. Februar 2003).

US-Außenminister Colin Powell war beim UN-Sicherheitsrat als Märchenerzähler beliebt. Das Bild zeigt ihn, während er seine Geschichte von irakischen Waffenprogrammen vorträgt (5. Februar 2003).

( UN Photo/Mark Garten)

Die Berichte über den angeblichen Einsatz von Chemiewaffen durch „das Regime“ wurden hinreichend aufgeklärt als das, was sie sind: Inszenierte Vorgänge, Propaganda gegen die syrische Regierung. Zuletzt erschien ein ausführlicher Artikel des bekannten Journalisten Seymour Hersh zu diesem Thema – in der Zeitung „Die Welt“.

Trump fabulierte über einen imaginierten Chemiewaffen-Angriff – und sprach reale Drohungen aus. Diese Drohungen haben eine Vorgeschichte. Die US-Luftwaffe griff im September 2016 eine Armeeeinheit in Deir Ezzor an, es gab bis zu 100 Tote. Es folgten ein Angriff auf einen Militärflugplatz wegen des angeblichen Einsatzes von Chemiewaffen, Angriffe auf die Armee in der Nähe von at-Tanf und zuletzt der Abschuss eines Flugzeugs der syrischen Luftwaffe.

Die Russische Föderation hat immer wieder vor Angriffen auf die syrische Armee gewarnt – erfolglos. Sie setzte ein Abkommen mit den USA über die Sicherheit im syrischen Luftraum aus und wandte es danach doch wieder an. Aber mit dem Abschuss des syrischen Flugzeugs überschritt das US-Militär offenbar eine rote Linie. „Wir werden jedes unbekannte Flugzeug westlich des Euphrat ins Visier nehmen“, erklärte der russische Verteidigungsminister. „Alles nur Show und Theaterdonner“, hieß es übereinstimmend in den Medien der USA. Das US-Militär nahm die Drohung nicht so gelassen.

Der Sprecher der US-Koalition, Oberst Ryan Dillon, sprach am 19. Juni von „weisen Maßnahmen“ um Flugzeuge umzugruppieren. Damit könnten sie die Angriffe auf den IS fortsetzen und zugleich die Besatzungen schützen, „angesichts der bekannten Drohungen“. Australien setzte seine Flüge in syrischem Luftraum zunächst aus.

Deeskalation? Zumindest sollte die Situation nicht weiter angeheizt werden. Auch an den Grenzen der kurdisch kontrollierten Gebiete gab es eine gewisse Verständigung. Diese Phase der Beruhigung dauerte nur wenige Tage. Mit dem Märchen vom syrischen Giftgasangriff nimmt sich das US-Militär nun erneut das Recht heraus, überall in Syrien auch die syrische Armee anzugreifen. Russische Drohungen hin oder her – oder vielleicht gerade deshalb. In einer weiteren Eskalation erhöhten die USA die Anzahl ihrer Überwachungsflüge. Sind das leere Drohgebärden? Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa warnte: „Die Medienkampagne um die Chemiewaffen dient der Vorbereitung einer US-Intervention nach bekanntem Muster“.

Das wichtigste Ziel der aktuellen Offensive der syrischen Armee ist die Befreiung von Deir Ezzor. Die Stadt am Euphrat ist seit drei Jahren durch einen Belagerungsring des IS abgeriegelt und kann nur aus der Luft versorgt werden. Die Befreiung Deir Ezzors aber würde viele Pläne der Kriegspolitiker in den USA durchkreuzen. Das werden sie nicht einfach hinnehmen wollen.

Die FSA („Freie Syrische Armee“) hat die Bedeutung der Chemiewaffen gut verstanden und gleich von einem erneuten Angriff gesprochen. Noch fand diese Geschichte keinen Widerhall. Doch mit den Märchen von den Chemiewaffen und potentiellen Angriffen auf Syrien treiben die USA die Konfrontation gegenüber Russland auf einen neuen Höhepunkt.

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"US-Märchen über Syrien", UZ vom 7. Juli 2017



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