Es gibt sie noch, „Die Goldenen Zitronen“. Schon seit fünfunddreißig Jahren und jetzt mit einer dreizehn Alben langen Diskografie. Dabei tut die Hamburger Truppe um Sprechsänger Schorsch Kamerun vor allem, seit sie den rohen Fun-Punk abgestreift hat, original und wenig originell alles, um zu verschwinden: Infantile Paarreime zum sofortigen Vergessen, eine Aversion gegen jedes Versmaß, das die vertonte Langfassung von Monty Pythons „Institute of Silly Walks“(das Ministerium für Alberne Gänge) sein könnte und mitsamt der häufigen Bildbeschreibungen im Nachrichtensprecherton den Eindruck völliger Belanglosigkeit erweckt.
„Die Goldenen Zitronen“ (der Name ist die Übertreibung des ADAC-Negativpreises, der „Silbernen Zitrone“) sind dabei auch noch irgendwie linksintellektuell, bewusst semi-komisch, und instrumentieren ihre Songs mit einer herausgekehrten Lustlosigkeit – dass sowas seit Jahren als professionelle Band Bühnen bespielt und von angesehenen Labels produziert und vertrieben wird und nicht in die Kategorie „Einmaliger Ausrutscher unter falschem Drogeneinfluss im Proberaum, ups, Schwamm drüber!“ gepackt wird, macht es dann doch wert, sich das einmal anzuhören.
Fraglich nur, ob es denn das neue Album, „More Than a Feeling“ sein soll. Denn das addiert der Provokationskunst ungefähr genauso viel dazu wie der gleichnamige Track der Band „Boston“ aus Boston.
„Whaaat!?/Du siehst aus wie Katakombe/Uuh!/Dein Look ist nicht gerade Bombe/Why??/Dafür trägst du einen Fetisch/Me??/Dein Gelaber – megaepisch“ geht der Refrain des ersten Songs „Katakombe“. Ansonsten geht’s in dem Lied über Rechtsruck und alternative Fakten, in anderen um Brexit und G20. Herübergebracht ist „Katakombe“ in besserwisserischer, saturierter Wut, der nur noch Til Schweigers angesoffene, kiefersperrige Aussprache fehlt. Das geht genauso mit dem Lied danach, „Gebt doch endlich zu, euch fällt sonst nichts mehr ein“, weiter: „Baut doch eure Scheißmauer quer übers Land/Euch fehlts doch sowieso an Empathie und Verstand“.
Wie die LP in einem monotonen Pop und HipHop als gediegener Dada für Leute mit Abitur daherkommt, rückt sie ohrenschmerzlich nah an die Proteste Foucault-verschlingender Akademiker, die noch keine sind und keinen davon abgehalten haben, nochmal AfD zu wählen. Schmerzhaft deshalb, weil der Urlaub fürs Gehirn, den der Dadaismus eigentlich zur Abwechslung zum stressigen Alltag der Welterschließung bietet, beim geistigen Abschalten stehenbleibt und dabei so konservativ ist wie die ungeliebte BRD. Für die die Zitronen übereilig einen smoothen, futuristischen Abgesang („Das war unsere BRD“) geschrieben haben. Denn die und ihr Helmut Kohl, ihr Schröder, ihr Hartz IV sind leider beständig.
An Gerhard „Hol mir mal ‚ne Flasche Bier!“ Schröder denkt man auch, wenn man sich das Video zu „Nützliche Katastrophen“ anschaut. Gedreht in der Hamburger Kunsthalle, schaut man unter anderem auf Caspar David Friedrichs Weltverklärung „Der Wanderer über dem Nebelmeer“, sieht (so richtig bundesdeutsch) Videoaufnahmen von Mao, Stalin und Mussolini und hört: „Ulalala!/Dunkles hinter deiner Tür/Ulalala!/Bring mir bitte mal ein kühles Bier“. Das Dunkle ist hoffentlich der Vorbote des Endes aller meta-ironischen Unberührbarkeit, denn die ist als absolute Negation nichts anderes als absolut langweilig.
Sooft sie auch Türen auftreten, selten gehen die „Goldenen Zitronen“ durch die richtigen. Wer das für charmant hält, kann sich auch mit dem poppigeren Sound auf „More Than a Feeling“ anfreunden.