Offener Brief zur Gefangenensituation in Kolumbien

Unwürdig, grausam, unmenschlich

„Diese Petition basiert strikt auf humanitären Erwägungen. Es geht um 71 kolumbianische Männer und Frauen, die angesichts ihrer schlechten Gesundheit unter extremer Grausamkeit eingesperrt sind, die Mehrheit davon leidet erschwerend unter der unzureichenden bis gar nicht vorgenommenen Gesundheitsvorsorge des Staates.

Wir könnten anfangen mit den Tausenden und Abertausenden von Menschen, die auf übelste Art in den kolumbianischen Gefängnissen vegetieren, unter unwürdigen Bedingungen, die der Verfassungsgerichtshof Kolumbiens 1998 als „verfassungswidrig“ und als „kritische Lagerung“ bezeichnete (hinzu kommen Äußerungen der Berufsrichter María Calle, Mauricio González und Luis Guerrero, die das aktuelle Gefängnissystem als „unwürdig, grausam und unmenschlich“ bezeichneten); aber über die allgemeine Gefängnissituation hat man schon viel gesprochen und und es gibt auch viele Bemühungen in dieser Hinsicht. Über alle diese Gefangenen werden wir hier nicht sprechen.

Auch könnten wir die andauernde Ablehnung der kolumbianischen Regierung erwähnen, die Existenz von Tausenden politischen Gefangenen anzuerkennen; mehr noch, wo sie einen historischen Konflikt anerkannt hat, dessetwegen man Friedensgespräche mit einer der aufständischen Gruppen führt (Anm. d. Ü.: mit den FARC) und in denen man eine Menge Themen bespricht, auch über die Opfer, die Entschädigungsfrage und die Art und Weise Gerechtigkeit zu schaffen. Ein weiteres Mal unterstützen wir eine verhandelte und friedliche Lösung des Konflikts und sprechen uns für ein baldiges und erfolgreiches Ende der Verhandlungen aus, die einen tragbaren Frieden für das kolumbianische Volk bringen sollen, der auch ein Frieden für ganz Lateinamerika sein würde.

Die Überprüfung der Überlebensbedingungen der 71 Personen, die wir hier erwähnen (wobei wir uns sicher sind, dass es noch andere in gleichen oder schlechteren Umständen gibt und dass der eine oder die andere in diesen Tagen Besserung erfahren haben kann), nimmt uns von jeder weiteren Stellungnahme zum Thema aus.

Es gibt keinerlei Grund, dass irgendein Mensch in irgendeinem Flecken der Erde verdienen würde, das zu erleiden, was diese Menschen zu erdulden haben. Das Unrecht gegenüber dem Elementarsten ihrer menschlichen Würde bedeutet Unrecht für die Menschlichkeit als solche, und im Namen dieser Menschlichkeit fordern wir dringend die Freilassung dieser Personen – mit keinem anderen Grund als der Verteidigung der menschlichen Würde, die nicht nur für diejenigen, die unter dauernder Folter als Bestandteil ihrer Lage leiden, zerstört wird, sondern auch für diejenigen, die sich gezwungen sehen, diese entmenschlichenden Aktionen durchzuführen.

Solange man über ihre Freiheit verhandelt, die, wie wir betonen, dringend und vorrangig ist, sind wir bereit in kürzestmöglicher Zeit zu jedem dieser Gefängnisse zu fahren, wo diese Personen sind, um gemeinsam mit der kolumbianischen Regierung und Vertreter/inne/n der internationalen Agenturen zum Schutz der Menschenrechte die Bedingungen festzustellen, die wir beigefügt anprangern.

Mit dem Respekt und der Achtung, die Ihre Person und Funktion verdienen:

Adolfo Pérez Esquivel, Friedensnobelpreisträger (Argentinien)

Noam Chomsky, Philosoph und emerit. Professor (USA)

Angela Davis, Philosophin, emerit. Professorin (USA)

Christian Juhl, Abgeordneter, Auslandsbeziehungen des Parlaments (Dänemark)

Marcelo Chaireo, Anwalt, Präsident der Menschenrechtskommission (Brasilien)

Mark Burton, Anwalt, Menschenrechtsverteidiger (USA)

Sahar Francis, Anwältin, Direktorin der Gefangenenhilfsorganisation ADDAMEER (Palästina)

José Schulman, Nationalsekretär der Argentinischen Liga für Menschenrechte (Argentinien)

James Jordan, Menschenrechtsaktivist (USA)

Marie Bundgaard Hagensen, Menschenrechtsaktivistin für Kolumbien (Dänemark)

Ivan Pinheiro, Generalsekretär der Brasilianischen Kommunistischen Partei (Brasilien)

Bernardo Soares, Union der Kommunistischen Jugend (Brasilien)

Benjamin Defise, Lateinamerikagruppe Brüssel (Belgien)“

Im erwähnten Anhang befindet sich eine Auflistung der Fälle von 57 Männern und 14 Frauen, in der Regel angeklagt wegen Rebellion (Mitgliedschaft oder Unterstützung einer der Guerillas), die in spanischer Sprache bei der Redaktion erhältlich ist.

Übersetzung: Günter Pohl

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"Unwürdig, grausam, unmenschlich", UZ vom 7. August 2015



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