Deutschland, Frankreich und EU drohen den Putschisten in Niger

Unterstützung für Handlanger

Deutschland, Frankreich sowie die EU erhöhen ihren Druck auf die Putschisten in Niger und verlangen die Wiedereinsetzung der Regierung von Präsident Mohamed Bazoum. Frankreich droht Niamey sogar mit der Anwendung von Gewalt. Bazoum habe sich für Europa „als verlässlicher Partner“ erwiesen, erklärt Außenministerin Annalena Baerbock; man unterstütze ihn deshalb „nach Kräften“.

Über den Hintergrund des Putsches in Niger heißt es in westlichen Medien gewöhnlich, der Anführer der Junta, General Abdourahamane Omar Tiani, sei damit nur seiner Entmachtung durch Präsident Bazoum zuvorgekommen. Bazoum habe ihn vom Posten des Kommandeurs der Präsidentengarde absetzen wollen. Letzteres trifft zu, greift aber zu kurz. Bereits in ihrer ersten Stellungnahme hatten die Putschisten in Niamey erklärt, sie hätten entschieden, „die Regierung, die Sie kennen, abzusetzen“, um „auf den fortgesetzten Verfall der Sicherheitssituation“ und „die schlechte wirtschaftliche und soziale Regierungsführung“ zu reagieren. Tiani hatte die Vorwürfe dann mit Blick auf das Versagen der westlichen Streitkräfte im Krieg gegen die dschihadistischen Aufstände ein wenig konkretisiert. „Der gegenwärtige Sicherheitsansatz“, erklärte Tiani, habe es „nicht erlaubt, dem Land Sicherheit zu verschaffen“ – dies „trotz schwerer Opfer, die die Nigrer erbracht haben, und trotz der erheblichen und wertgeschätzten Unterstützung unserer auswärtigen Partner“. Die Begründung für den Putsch gleicht im Kern denjenigen, die die Putschisten in Mali sowie in Burkina Faso als Motiv für den Sturz der dortigen Regierungen angegeben haben.

In Nigers Bevölkerung herrscht in der Tat schon seit geraumer Zeit erheblicher Unmut über die Regierung, die seit 2011 von der Parti nigérien pour la démocratie et le socialisme (PNDS) geführt wird, zunächst unter Präsident Mahamadou Issoufou, dann unter Präsident Bazoum. Man müsse wissen, dass die Bevölkerung „mit Blick auf wiederholte Korruptionsskandale und die Schlamperei“ der Regierung „aufgebracht“ sei, erläuterte am Wochenende der am African Studies Centre der Universität Leiden tätige Politikwissenschaftler Abdourahmane Idrissa. Darüber hinaus hätten es die Regierungen der vergangenen Jahre nicht vermocht, angemessen auf „die dschihadistische Bedrohung zu antworten“. Der PNDS sei in der nigrischen Bevölkerung mittlerweile „extrem unbeliebt“. Mit Blick darauf, dass bereits seit dem vergangenen Jahr Sozialproteste in Niger stärker werden und sich mit steigendem Unmut über die Präsenz auswärtiger Streitkräfte im Land verbinden, wies schon im August 2022 Moussa Tchangari von der NGO Alternative Espaces Citoyens darauf hin, dass etwa Frankreichs Militär im Sahel seit rund zehn Jahren „keine zufriedenstellenden Ergebnisse“ erzielt habe: „Die Menschen fragen sich: Warum sollten wir so weitermachen wie bisher, wenn es doch nicht funktioniert?“

Beobachter rufen zudem in Erinnerung, dass die nigrische Regierung in wachsendem Maß mit Repression auf Sozialproteste reagiert hat – in der Gewissheit, von den Staaten Europas gestützt zu werden, für deren Streitkräfte Niger der letzte Rückzugsort im Kriegsgebiet im Sahel darstellt. So wurde im August 2022 schon die erste Kundgebung der neu gegründeten Oppositionsbewegung M62, die sich gegen die damalige Erhöhung des Dieselpreises richtete, verboten. Der Vorsitzende von M62, Abdoulaye Seydou, wurde am 23. Januar 2023 unter dem Vorwand inhaftiert, Informationen publiziert zu haben, die geeignet seien, „die öffentliche Ordnung zu untergraben“. Er wurde in einem Hochsicherheitsgefängnis 30 Kilometer vor der Hauptstadt interniert. Bazoums Regierung meine sich das leisten zu können, erklärte Seydou kurz vor seiner Festnahme, da die französischen Streitkräfte faktisch zu ihrer „Schutzmacht“ geworden seien. Deshalb spreche M62 sich für einen schnellen Abzug der französischen Streitkräfte aus. Seydou betont dabei mit Blick auf im Westen verbreitete Unterstellungen, M62 werde systematisch von Moskau unterstützt: „Wir kämpfen für Nigers Souveränität, daher verbünden wir uns nicht mit irgendwelchen ausländischen Partnern.“

Mit Blick auf den kontinuierlich anschwellenden Unmut im Land warnte Tchangari bereits im August 2022, die westlichen Staaten könnten nicht weitermachen wie bisher. „Wir sehen“, erläuterte er, „dass uns im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus Lösungsansätze vorgeschrieben werden.“ Als etwa Malis Regierung sich dafür ausgesprochen habe, „mit dschihadistischen Gruppen in einen Dialog“ zu treten, um den Krieg zu beenden, sei sie „von Frankreich blockiert“ worden. Auch Deutschland sprach sich damals gegen den Versuch aus, eine Verhandlungslösung herbeizuführen und setzte auf blanke militärische Gewalt. Ein Ende der Kämpfe ist weiterhin nicht in Sicht. Die Staaten Europas müssten akzeptieren, „dass die sicherheitspolitische Krise im Sahel zunächst einmal ein Problem der Länder im Sahel ist“, äußerte Tchangari vor fast einem Jahr: „Europa sollte die Meinungen und die Anliegen der Bevölkerung im Sahel ernst nehmen, die nicht immer von unseren eigenen Regierungen repräsentiert werden.“ Einfach nur zu behaupten, „dass die Bevölkerung nicht gut informiert oder gar manipuliert“ sei, genüge nicht. „Diese Haltung ist es letztlich auch“, erklärte Tchangari, „die dazu beiträgt, dass europäische Militärhilfe hier abgelehnt wird.“

Auf den Putsch haben die westlichen Staaten wie auch internationale Organisationen mit scharfer Kritik reagiert. Frankreich stellte am Wochenende jegliche Unterstützung für Niger mit sofortiger Wirkung ein; die EU beendete ebenfalls jegliche Kooperation. Außenministerin Baerbock äußerte – in eigentümlichem Widerspruch zu den Einschätzungen nicht nur der nigrischen Opposition, sondern auch von Nichtregierungsorganisationen wie Alternative Espaces Citoyens –, sie habe bei ihrem Besuch in dem Land im vergangenen Jahr „eine junge Demokratie erlebt, deren Bürger hoffnungsvoll in die Zukunft geblickt“ hätten. Bazoum, dessen Regierung in Wirklichkeit Oppositionelle inhaftiert und Proteste unterdrückt, habe sich stets „bemüht (…) Armut zu bekämpfen“ sowie „das Leben seiner Bevölkerung nachhaltig zu verbessern“. Er habe sich durchweg „als verlässlicher Partner“ positioniert. Die EU habe seine Regierung deshalb „nach Kräften unterstützt“. Dass genau dies ein Grund ist, der die nigrische Bevölkerung gegen die europäischen Staaten aufgebracht hat und sie jetzt in Teilen zur Unterstützung der Putschisten auf die Straßen treibt – bereits vergangene Woche setzten Demonstranten das Hauptquartier der verhassten bisherigen Regierungspartei PNDS in Brand –, interessiert Berlin nicht.

Am vergangenen Sonntag ist die Lage weiter eskaliert. Das westafrikanische Staatenbündnis ECOWAS forderte die Putschisten auf, sich binnen einer Woche zurückzuziehen. Andernfalls schließe man Gewaltmaßnahmen nicht aus. Demonstranten, die gegen die auswärtige Militärpräsenz in Niger auf die Straße gingen, gegen die Drohung der ECOWAS protestierten und zum Teil die Putschisten unterstützten, attackierten die französische Botschaft in Niamey. Frankreich drohte daraufhin gleichfalls unverhohlen mit Gewaltmaßnahmen. Die Lage in Niger droht unkontrolliert zu eskalieren. Das betrifft auch die Bundeswehr.

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"Unterstützung für Handlanger", UZ vom 4. August 2023



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