„Schwarze Flaggen – der Kampf um die Demokratie“ – unter diesem Slogan versammelten sich am 19. April Tausende Demonstranten auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv, um gegen die neu gebildete rechte Regierung von Gantz und Netanjahu zu demonstrieren. Schwarze Flaggen wurden in Israel seit März zum Symbol des Kampfes gegen die Politik von Netanjahu und den Abbau demokratischer Rechte. Damals waren Hunderte Autos mit schwarzen Flaggen im Protest gegen antidemokratische Maßnahmen im Konvoi nach Jerusalem gefahren.
Der Rabin-Platz war schon Schauplatz vieler Proteste, doch im Zeichen von Corona war es diesmal eine besondere Kundgebung. Die Demonstranten trugen Masken, Teilnehmer mussten zwei Meter Abstand voneinander halten, Gruppen von jeweils 10 Personen wurden in größerem Abstand voneinander gebildet und so füllten einige tausend Teilnehmer einen Platz, der Zehntausende fasst.
Vertreter der „Vereinigten Liste“ warnten vor den Annexionsplänen der neuen Regierung, die Trumps „Deal des Jahrhunderts“ umsetzen will. Und selbst ein früherer Verbündeter von Gantz, der Knesset-Abgeordnete Yair Lapid von der Partei Yesh Atid („Es gibt eine Zukunft“) sprach auf der Kundgebung. Er klagte Netanjahu an, die israelische Demokratie zu zerstören, und Gantz, dies zuzulassen.
Bei der Gründung des Wahlbündnisses „Blau-Weiß“ war vereinbart worden, Benny Gantz und Yair Lapid würden sich im Falle eines Wahlsieges als Ministerpräsidenten abwechseln. Stattdessen einigte sich nun Gantz mit Netanjahu auf eine gemeinsame Regierung.
Gantz hatte immer wieder betont, nicht in eine Netanjahu-Regierung eintreten zu wollen. Doch bot ihm die Corona-Pandemie die Gelegenheit, frühere Ankündigungen vergessen zu machen. In Zeiten von Corona müsse es eine gemeinsame Notstandsregierung geben.
Der Deal zwischen Gantz und Netanjahu zur Bildung einer Notstandsregierung beschäftigt sich allerdings nicht mit Wegen aus der Corona-Krise. Steigende Arbeitslosigkeit und bis zu 25.000 Unternehmen, die wegen der Bekämpfung von Corona möglicherweise schließen, werden zu weiteren neoliberalen Maßnahmen führen. Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten, erleben das bereits. Wer sich wegen einer beruflichen Corona-Infektion selbst isolieren muss, erleidet Gehaltsabzüge.
Stattdessen geht es in dem Deal um die Kontrolle der Justiz: Akribisch wird das Vorgehen bei der Besetzung von Richterposten beschrieben. Und es gibt einen Zeitplan für eine mögliche Annexion des Westjordanlandes.
Benny Gantz hatte im Januar – schon vor der Veröffentlichung von Trumps „großem Plan“ – versprochen, nach der Wahl die Annexion des Jordantales voranzubringen. Daran kann er nun gemeinsam mit Netanjahu arbeiten.
Beginnend mit dem 1. Juli kann Netanjahu dem Kabinett beziehungsweise der Knesset einen Plan vorlegen, wie die israelische Souveränität auf die Westbank ausgeweitet werden soll – soweit die US-Regierung das unterstützt. So erweist sich der Deal zwischen Netanjahu und Gantz als kleiner Bruder von Trumps „Deal des Jahrhunderts“. Für die Kommunistische Partei Israels bedeutet die Bildung der neuen rechten Regierung das Ende der Zwei-Staaten-Lösung.
Netanjahu triumphiert vorerst über die Abgesänge, die schon auf ihn angestimmt wurden. Für die nächsten 18 Monate soll er Ministerpräsident bleiben, ungeachtet der Prozesse wegen Korruption, die gegen ihn laufen.
Der Vorsitzende der „Vereinigten Liste“, Ayman Odeh, forderte auf der Kundgebung in Tel Aviv zu einer breiten jüdisch-arabischen Koalition für Frieden, Demokratie und soziale Gerechtigkeit auf.