Die revolutionären Kräfte erlitten in den Januarkämpfen in einer ihrer Hochburgen, in Berlin, eine bittere Niederlage. Am 10. Januar begann bei Berlin-Spandau der erste entscheidende Gegenschlag. Nach Haubitzenbeschuss mussten die verteidigenden Arbeiter um 8.20 Uhr die weiße Fahne auf dem Spandauer Rathaus hissen. Freikorps misshandelten Mitglieder des Rates, die in den folgenden Tagen – wie viele hundert andere – ermordet wurden. Mit dem Fall von Spandau wurde der Weg in die Berliner Innenstadt frei. In der folgenden Nacht rückten Truppen mit schweren Geschützen auf die Innenstadt vor. Gegen 8 Uhr in der Frühe begann das Regiment „Potsdam“ mit Minenwerfern das „Vorwärts“-Gebäude sturmreif zu schießen. In der folgenden Nacht wurde auch das Berliner Polizeipräsidium sturmreif geschossen. In den Arbeitervierteln wurden Tausende verhaftet. Am 13. Januar verhängte der Oberbefehlshaber Gustav Noske (SPD) über die Stadt den Belagerungszustand. Am 14. Januar 1919 marschieren Truppen „in breiter Front“ ein (Noske am 14. Januar). Am gleichen Tag ordnete er an, die Waffen zu übergeben. „Hierzu werden Durchsuchungen von Häusern und Wohnungen stattfinden.“ Jede Ansammlung auf der Straße wurden untersagt. Angeordnet wurde, „den Anweisungen der Posten und Straßenpatrouillen für das Freihalten der von den Posten begangenen Räume und der von geschlossenen Truppenteilen zu beschreitenden Straßen … unbedingt Folge zu leisten“. Eine Pogromstimmung war entstanden. Offen wurde zum Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht aufgerufen. Am 16. Januar behaupteten die mittags erscheinenden Zeitungen „Liebknecht auf der Flucht erschossen!“, „Rosa Luxemburg von der Menge getötet!“ Am gleichen Tag rief die Leitung der USPD und ihr Zentralausschuss von Groß-Berlin trotz des Terrors zum Proteststreik auf: „Arbeiter! Arbeiterinnen! Das, was man heute den Spartakisten und den Unabhängigen antut, kann morgen euer Los sein. Auch ihr Arbeiter, die ihr euch zu der Partei der Rechtssozialisten zählt, seid der Reaktion und der Militärkaste verdächtig. Der Hass des Bürgertums und der Reaktion wird sich genauso gegen euch, eure Organisationen wie gegen die Arbeiterschaft im allgemeinen wenden … Fort mit der Regierung Ebert-Scheidemann.“ In den Folgetagen kam es zu Massenstreiks und Demonstrationen in ganz Deutschland gegen die Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs. Am 17. Januar wurde die „Rote Fahne“, das Zentralorgans der KPD, verboten, ihre Redaktionsräume von Regierungstruppen verwüstet und ebenso besetzt wie das Büro der USPD Groß-Berlins. (ausführlich auf http://www.novemberrevolution1918.de/1919)
Am 19. Januar fanden trotz dieser blutigen Ereignisse „freie“ und „demokratische“ Wahlen zur Verfassunggebenden Nationalversammlung statt – in Berlin „unter dem Schutz“ der Freikorps und der Regierungstruppen. Die Ebert-Scheidemann Regierung hatte im Vorfeld der Wahl den Arbeiter- und Soldatenräten die Nutzung von Staats- und Gemeindegeldern für die Wahlagitation verboten. Für die SPD ließ die Regierung dagegen vor der Wahl massenhaft Flugblätter und Schriften drucken, allein für Berlin 30 Millionen. Die SPD versprach im „Wahlkampf“ die „freieste republikanische Verfassung, einen gerechten Frieden, Schutz gegen neue Ausbeutung und Unterdrückung der geistig und körperlich Schaffenden durch den Kapitalismus, höchste Freiheit und vollkommenste Ordnung für alle“, eine Verfassung, die ein friedliches Hineinwachsen in den Sozialismus ermöglichen werde. Deutsche Bank, Disconto-Gesellschaft, Dresdner und Darmstädter Bank hatten mit zusätzlichen 30 Mio. Reichsmark Wahlpropaganda finanziert. (Siehe ebenda)
In einem Bericht über den Tag der Wahlen in Berlin hieß es: „Vor allen Wahllokalen waren Posten mit Stahlhelmen, Handgranaten und Schusswaffen aufgestellt worden. Stärkere Patrouillen zogen durch die Straßen, um die ‚Sicherung‘ der Wahlen durchzuführen. Zuweilen rasselten mit Maschinengewehren bewaffnete Autos durch die Stadt. An verschiedenen Stellen waren Geschütze aufgestellt. Manche Stadtviertel glichen einem richtigen Heerlager.“ (Zitiert nach Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 3, Berlin 1966, S. 194) Das USPD-Wahlbüro in der Schicklerstraße war am Vorabend durch Freikorps verwüstet worden.
Trotz alle Propaganda des bürgerlichen Lagers: Stärkste Partei wurde die SPD, die über 11,5 Millionen Stimmen erhielt und damit 165 Sitze in der Nationalversammlung. Zweitstärkste Partei war die Zentrumspartei mit fast sechs Millionen Stimmen (91 Sitze). Für die revanchistische, monarchistisch-militaristische Deutschnationale Volkspartei (DNVP) stimmten 3,12 Millionen (44), für die Deutsche Volkspartei (CVP), hervorgegangen aus der Nationalliberalen Partei und eng verbunden mit der Schwerindustrie, 1,35 (19), für die Deutsche Demokratische Partei (DDP) 5,64 (75). Die USPD erhielt fast 2,3 Millionen Stimmen. Die KPD beteiligte sich nicht: Die Mehrheit der Anwesenden auf dem Gründungsparteitag zur Jahreswende 1918/1919 hatte – gegen den Rat von Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Wilhelm Pieck und anderen – eine Teilnahme an den Wahlen abgelehnt.
Das Ergebnis der Wahlen zur Nationalversammlung machte deutlich, dass sich das Kräfteverhältnis verschoben hatte: Die bürgerlichen Parteien erhielten die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, die SPD konnte – mit Versprechungen – die Mehrheit der Arbeiterinnen und Arbeiter überzeugen.
Nach den Januarkämpfen in Berlin war man sich einig, die Nationalversammlung zunächst nicht in der unruhigen Hauptstadt tagen zu lassen. Am 6. Februar 1919 trat die Nationalversammlung in Weimar zusammen. Am 11. Februar trat das am Vortag verabschiedete „Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt“ in Kraft, und die Nationalversammlung wählte den bisherigen Regierungschef Friedrich Ebert (SPD) zum vorläufigen Reichspräsidenten. Das von ihm eingesetzte Kabinett Scheidemann basierte auf der Koalition von SPD, Zentrum und der DDP. Sie setzte sich bei der Abstimmung über die künftige Verfassung gegen die Vertreter aus der DNVP, der DVP und der USPD durch. Am 11. August 1919 trat die Weimarer Verfassung in Kraft. Im Artikel 1 hieß es: „Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Ihr weiterer Inhalt legte eine bürgerlich-parlamentarische Ordnung fest. Wichtige Errungenschaften der Novemberrevolution wurden berücksichtigt, dem veränderten Verhältnis der Klassenkräfte Rechnung getragen. Entscheidend aber war, dass die Verfassung das Privateigentum an Produktionsmitteln garantierte (Art. 153). Auch der Staatsaufbau – die Rechte der Parlamentarier blieben begrenzt – diente zuallererst der Aufrechterhaltung und der Festigung der Kapitalherrschaft. Alle Sozialisierungsversprechungen der Ebert-Regierung erwiesen sich als Lug und Trug.