Besorgte Ratschläge, Belehrungen, Warnungen, Schmähungen aus CDU/CSU und den meisten Medien sowie grün-gelbes Ampelleuchten begleiteten Olaf Scholz auf seiner ersten China-Reise als Bundeskanzler. Der neue Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen (CDU), früher für die BRD im UN-Sicherheitsrat, wo er Juan Guaidós Putschversuche gegen Venezuelas Präsidenten Maduro ohne Erfolg unterstützte, war Anfang November auf „Zeitenwende-Tournee“ in den USA. Von dort gab er zum Besten, was die Transatlantiker an der Scholz-Reise alles stört: „Wenn wir hier in New York mit vielen Kollegen sprechen, da wird man darauf angesprochen, warum zum jetzigen Zeitpunkt, warum zu einem Zeitpunkt, wo in China jetzt ganz klar ist: Da ist ein totalitäres Regime, wir sind zurück zu den Zeiten von Mao Tsetung. Warum geht man jetzt dahin? Warum macht man das mit einer Wirtschaftsdelegation – wo wir gerade ja versuchen, wirtschaftliche Abhängigkeiten zu vermindern?“ (tagesschau.de, 4. November 2022)
China entwickelt sich nicht nach dem Bild des Westens. Es hat seine eigenen Pläne. Westliche Kapitalisten enttäuscht das. Die Auflösung der UdSSR hatte ihre Erwartung genährt, der Sozialismus sei ein Auslaufmodell. Sie glaubten an Fukuyamas Idee der „liberalen Demokratie“ am Ende der Geschichte, an die US-zentrierte unipolare Weltordnung. Mit der Krise 2008 setzte ihre Desillusionierung ein. Danach galt China wieder als „Feind“. Ein „neuer Umgang“ war angesagt. Dass China die Weltordnung mitgestaltet, wird als „Aggressivität“ ausgelegt. Die politische Klasse der USA diskutiert seit Trump über die ökonomische „Entkoppelung von China“. Sie ist nötig, weil man das Land mit einem Wirtschaftskrieg schwächen will. Als mögliche Vorwände für den Wirtschaftskrieg werden permanente Spannungen geschürt.
Auch die deutsche Bourgeoisie will „weniger Abhängigkeit“ von China, aber nicht durch Entkoppelung, sondern durch breitere Diversifizierung ihrer Bezugsquellen. Das schlösse ein Wachstum des Handels mit China nicht aus. Der BDI vertritt diese Linie im Papier zum Umgang mit China (2019) und im neuen BDI-Papier „Europäische Souveränität“ (2022). Schon aus der Corona-Krise zog man die Konsequenz, mehr zu diversifizieren und bestimmte Zulieferer (zum Beispiel für Medikamente) „zurückzuholen“. Einen generellen Rückzug wollen die großen Konzerne nicht. Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, erläutert: „China versorgt uns aktuell mit wichtigen Rohstoffen, die wir selbst nicht besitzen und auch nicht über alternative Handelsabkommen sichergestellt haben.“ (FAZ, 3. November 2022)
Scholz begleiteten unter anderem die Chefs von VW, BASF, Siemens, Adidas, Deutsche Bank und Biontech, ausgewählt aus 100 Bewerbern. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft gab Scholz den Ratschlag mit auf den Weg, „kein chinesisches Porzellan zu zerschlagen“. (FAZ, 3. November 2022). „Zeit“-Autor Schieritz meint, bereits die Entwöhnung vom russischen Gas sei für die deutsche Wirtschaft eine enorme Herausforderung. „Wenn nun auch noch China als Lieferant und Absatzmarkt komplett ausfiele, dann wäre die Belastungsgrenze überschritten – ohne dass klar ist, ob die chinesische Führung sich davon beeindrucken lässt und ihren Kurs ändert.“ (4. November 2022)
Fest steht, dass die US-Regierung ihren Kurs nicht ändern wird. Dauerhafte Kooperationen zwischen Deutschland und großen Ländern im Osten Eurasiens zu dulden widerspricht ihrer Strategie. Die Welt sah zu, wie Biden Nord Stream 2 vor der Presse in den USA am 7. Februar 2022 stornierte und Scholz danebenstand. Zuletzt wurden drei Nord-Stream-Röhren von „Unbekannt“ gesprengt. Kaum jemand in der Welt hält die Politik dieser Regierung noch für souverän. Xi Jinping bemerkte in seiner Ansprache an Scholz: „Politisches Vertrauen ist leicht zerstört, aber schwer wieder aufzubauen.“