Die Medienfarce um die Sprengung der Ostseegasleitungen geht weiter

Unter Freunden

Kolumne

Am 7. März berichtete die „New York Times“: „Neue Erkenntnisse, die von US-Beamten geprüft wurden, deuten darauf hin, dass eine proukrainische Gruppe den Angriff auf die Nord-Stream-Pipelines im vergangenen Jahr verübt hat.“ Dabei hatte die Zeitung nach der Explosion vom 26. September 2022 noch von einem „Mysterium“ geraunt. Und nun das: Spuren! Das hätte das stets knallhart recherchierende Blatt früher haben können, aber der Glaube an Autoritäten ist eben perdu. Denn der US-Präsident persönlich hatte am 8. Februar 2022 versprochen: Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, dann „wird es nicht länger ein Nord Stream 2 geben. Wir werden dem ein Ende setzen.“

Ein Mann, ein Wort. Sieben Monate später rummste es in der Ostsee. Der deutsche Bundeskanzler hatte an jenem Februartag grinsend neben dem US-Präsidenten gestanden und etwas von „Sanktionen“ gestammelt, die Russland treffen würden. Die Drohung, die deutsche Unterwasser-Gasversorgung von dort zu kappen, nahm Olaf Scholz dagegen widerspruchslos hin. Vielleicht hatte ihm Joseph Biden schon diktiert, wer künftig in der Bundesrepublik Öl und Gas vertickt.

20 05 Arnold - Unter Freunden - Nord Stream 1, Nord Stream 2 - Positionen
Arnold Schölzel

Kanzlerfatalismus im Umgang mit Washington ist jedenfalls Pflicht. So machte es Amtsvorgängerin Angela Merkel wie jetzt Scholz, als vor zehn Jahren nach den Enthüllungen Edward Snowdens herauskam, dass die USA nicht nur um die Überwachung der gesamten Menschheit bemüht sind, sondern speziell auch „unter Freunden“ (Merkel) abhören – Kanzlerin und deutsches Regierungsviertel eingeschlossen. Die US-Botschaft am Brandenburger Tor in Berlin – war andeutungsweise zu lesen – sei nichts anderes als eine große elektronische Schnüffelzentrale.

Immerhin: Der damalige Generalbundesanwalt Harald Range leitete Ermittlungen wegen des Verdachts der Ausforschung des Handys der Regierungschefin ein. Er stellte sie nach zwei Monaten flugs wieder ein und hatte sogar eine Begründung: Fehlende Beweise und keine Anweisung der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Das Dokument, das als Beleg fürs Merkel-Belauschen gedeutet wurde, sei lediglich eine Abschrift eines NSA-Papiers: „Das Original zu beschaffen, ist nicht gelungen.“

So ist das immer mit den US-Kontrollettis: Sie rücken nichts raus. 2019 klärte ein Ex-Berater Barack Obamas namens Benjamin Rhodes den „Spiegel“ auf, dass Merkel sich daher fürs Abhören nicht interessiert habe, sie sei nur verärgert gewesen, weil für sie „ein PR-Problem“ in ihrem Wahlvölkchen entstanden sei.

Das Problem hat Scholz nicht. Die Sprengung war ehrlich angekündigt und nicht persönlich gemeint. Erneut wird aber so getan als ob. Wie vor zehn Jahren ermittelt der jetzige Generalbundesanwalt Peter Frank – nur noch lustloser. Laut „Spiegel“ „sind nur wenige Beamtinnen und Beamte des Referats ST24 mit dem Fall befasst“. Denn Regierung und Justiz haben demnach andere Prioritäten: „In dem Verfahren gegen die mutmaßlich militante Reichsbürger-Zelle um Heinrich XIII. Prinz Reuß ermittelten zeitweilig fast 400 Kriminalisten des BKA.“

Ähnliches darf bei angekündigten US-Terrorattacken selbstverständlich nicht passieren. Die Deutschen könnten am Ende etwas über die Urheber herausbekommen, was sie nicht gewusst haben. Also durften nach der „Enthüllung“ der „New York Times“ Staatsorgane wie der „Spiegel“ trompeten, dass die deutschen Ermittler etwas wissen: Die Bundesanwaltschaft hat vom 18. bis zum 20. Januar ein Charter-Segelboot durchsuchen lassen. Mit dem sollen angebliche Ukrainer vor einem halben Jahr geschätzt schlappe zwei Tonnen Sprengstoff in Rostock per Hand verladen, bis hinter Bornholm gebracht und dort an den Leitungen vertäut haben. Wenigstens einige vertrauen Joseph Biden und der Macht seiner Worte. Da bleiben keine Röhre und kein Ballon ganz.

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"Unter Freunden", UZ vom 17. März 2023



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