Unsicherheit für Beschäftigte und Geflüchtete

Lars Mörking im Gespräch mit Sebastian Woldorf

UZ: Du arbeitest in der Flüchtlingssozialarbeit. In welchem Bereich konkret?

Sebastian Woldorf: Ich arbeite in der Kommunalverwaltung als Sozialarbeiter für Geflüchtete. Einerseits mache ich ganz normale Migrationsberatung, lebensweltliche Fragen, auch zu ihrem Aufenthaltsrecht. Zum anderen bin ich in den Heimen aktiv und bin für ehrenamtliche Stadtteilinitiativen Ansprechpartner.

Ich bin Ansprechpartner für alle, die im Leistungsbezug des Asylbewerberleistungsgesetzes sind, also auch diejenigen, die keine Anerkennung kriegen.

UZ: Welche Rechte haben Flüchtlinge?

Sebastian Woldorf: Zunächst: Für Flüchtlinge gelten Sondergesetze, die sie schlechter stellen. Das gilt für alle Lebensbereiche. In der Gesundheitsversorgung ist das sehr eklatant, eine ärztliche Behandlung ist nur bei akuten Schmerzen möglich.

UZ: Was erlebst du bei den Geflüchteten, die Asyl bekommen, also eine Bleibeperspektive haben?

Sebastian Woldorf: Ihnen steht zunächst einmal ein riesiger bürokratischer Aufwand bevor. Diejenigen, die anerkannt werden, wechseln direkt in die Zuständigkeit des Jobcenters, müssen Anträge stellen, ein Konto eröffnen, eine Rentenversicherungsnummer beantragen, sich krankenversichern usw.

UZ: Und was wird ihnen vom Jobcenter angeboten?

Sebastian Woldorf: Die erste Maßnahme des Jobcenters ist der Integrationskurs. Bis Geflüchtete den bekommen, vergeht schon wieder eine lange Wartezeit. Momentan gibt es nicht genug Sprachschulen, d. h. es kann nicht direkt ein Sprachkurs vermittelt werden, da vergehen schon mal drei, vier oder auch fünf Monate. Was an Arbeitsmöglichkeiten angeboten wird, sind vor allem „Ein-Euro-Jobs“. Das findet schon in den Unterkünften statt, wo diese Art der Beschäftigung massiv ausgeweitet und damit normale Jobs, die u. a. auch von Fachkräften ausgeführt wurden, ersetzt. Das betrifft Hausmeister, Reinigungskräfte, usw.

UZ: Wie sind die Arbeitsbedingungen derer, die nicht durch Geflüchtete zu ersetzen sind?

Sebastian Woldorf: Nahezu alle Menschen, die mit Geflüchteten arbeiten und dafür eingestellt wurden, sind prekär beschäftigt. Das gilt zum Beispiel für die Lehrkräfte an den Sprachschulen, die als Honorarkräfte 20 Euro brutto bekommen, sich dafür aber selber sozialversichern müssen. Am Ende des Monats steht im Regelfall auch für sie der Gang zum Jobcenter, weil sie aufstocken müssen.Staatliche Stellen waren ja angeblich überrascht von der Zahl der Geflüchteten, die nach Deutschland gekommen sind, nun gehen sie davon aus, dass die Geflüchteten irgendwie wieder verschwinden. Entsprechend wird für solche Aufgaben fast immer befristet eingestellt.

UZ: Die Betreiber der Unterkünfte scheinen keine Probleme zu haben, langfristige Garantien von den Kommunen zu bekommen …

Sebastian Woldorf: Wohnungseigentümern, Baufirmen und anderen wird das Geschäft mit den Geflüchteten schmackhaft gemacht. Da werden auch langfristige Belegungen vereinbart, die nicht eingehalten werden können. Leerstand ist an der Tagesordnung, es braucht viele Monate, bis eine Belegung stattfindet und auch wenn die Belegung nicht mehr notwendig ist, laufen die Verträge weiter.

Die Profite sind in diesem Bereich also gesichert.

UZ: Wie bewertest du das sogenannte „Integrationsgesetz“?

Sebastian Woldorf: Arbeitsministerin Nahles sagt selber ganz offen, dass sie das Prinzip des Förderns und Forderns auf Geflüchtete anwenden will. Das bedeutet, dass der Aufenthaltsstatus in Deutschland unmittelbar mit einem Arbeitsverhältnis verbunden wird. Auch wenn beispielsweise Ausbildungsverhältnisse ohne Einwilligung beendet werden, erlischt die Duldung und eine unmittelbare Abschiebung droht.

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"Unsicherheit für Beschäftigte und Geflüchtete", UZ vom 17. Juni 2016



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