„Unser Ziel ist eine Katalanische Republik“

Günter Pohl im Gespräch mit Pol Acózar

„Wählen, um frei zu sein“

„Wählen, um frei zu sein“

„Comunistes de Catalunya“ ist im April 2017 von Mitgliedern der aufgelösten „Partei der katalanischen Kommunist/inn/en“ neu gegründet worden.

UZ: Wird es am Sonntag ein Referendum geben? Zehn Millionen Stimmzettel wurden konfisziert, vierzehn Angestellte der Regionalregierung festgenommen …

Pol Acózar: Wird es … Die große Mehrheit wird dem Aufruf des souveränen Regionalparlaments folgen. Die Frage ist, ob das störungsfrei geht. Wenn der Staat die Wahlzettel konfisziert, werden sie zu Hause neu gedruckt. Wenn man die Urnen mitnimmt, werfen wir die Zettel in Pappkartons. Wenn man die Funktionäre festnimmt, gibt es Freiwillige, die sie ersetzen. Wenn die Polizei auf den Straßen ist, um die Wahl zu verhindern, wird es massenhafte friedliche Proteste geben. Die Volksbewegung ist die Mehrheit und hat tiefe demokratische Überzeugungen.

Die Regierung Spaniens ist das Gegenteil. Um das Referendum zu verhindern, instrumentalisiert sie alle Staatsmacht: Justiz, Polizei, Geheimdienste und Medien. Das kann sie, weil Spanien Institutionen hat, die demokratische Defizite aufweisen, und eine Elite, die immer noch sehr mit dem faschistischen Franco-Regime verbunden ist. Der Übergangsprozess von der Diktatur zur Demokratie war 1978 nur eine Schminkübung, die Macht blieb in den selben Händen. Es gibt keinerlei Zweifel, dass die Repression anwächst.

UZ: Unabhängig von der Argumentation der Zentralregierung hinsichtlich einer angeblichen Verfassungswidrigkeit ist es ein politisches Recht des katalanischen Volks, über sein Schicksal selbst entscheiden zu können. Was ist dabei die Position der Kommunisten Kataloniens?

Pol Acózar: Die großen spanischen Parteien, PP und PSOE (die konservative Volkspartei und die Sozialdemokraten, A. d. Ü.), sprechen von der 78er Verfassung, als sei sie heilig und nicht veränderbar. Dennoch haben genau diese Parteien sie mehrfach verändert, immer gegen die Interessen der Volksschichten und ohne Rücksprache mit der Bürgerschaft. Es ist keine Frage der Legalität, sondern der Legitimität. Für den großen Teil des katalanischen Volks ist die spanische Verfassung Ergebnis eines historischen Moments, der überwunden werden muss. Wenn die Gesetze nicht den Notwendigkeiten dienen, müssen sie verändert werden. Das spanische System ist allerdings derart wenig repräsentativ und demokratisch, dass das praktisch unmöglich ist.

Das Recht Kataloniens auf Selbstbestimmung ist nicht infrage zu stellen, denn Katalonien ist eine Nation mit Sprache, Geschichte, Kultur und einer Identität, die es vom Rest der Völker Spaniens unterscheidet. Es gibt eigene Institutionen, eines der ältesten Parlamente Europas, eine eigenständige Regierungsinstitution, die „Generalitat“, und sogar einen Obersten Gerichtshof mit einem einzigartigen Zivilrecht. All das ist aber nicht das Wichtigste. Wichtig ist der während mehr als einem Jahrhundert ausgedrückte Wille der Mehrheit des katalanischen Volks, eine Republik zu werden und die nationalen Ressourcen ohne ständige Intervention des Zentralstaats verwalten zu können.

Die Volkssouveränitätsbewegung hat klare demokratische und fortschrittliche Grundlagen. Für die Kommunisten handelt es sich um eine Massenbewegung, eine demokratische Front. Wir haben immer das Referendum verteidigt und wir glauben, dass die zentralstaatliche Repression eine für eine Verbindlichkeit der Abstimmung notwendige demokratische Normalität nicht zulässt. Deshalb hat unsere Partei eine Teilnahme beschlossen, als Mobilisierungs- und Protestform, aber wir sehen dieses nicht als das definitive Referendum an. Wir verlangen, dass das Volk sich in Freiheit und ohne Zwang ausdrücken kann.

UZ: Es heißt, es gebe Mehrheiten für ein Referendum, aber nicht unbedingt für die Unabhängigkeit. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Unabhängigkeitsbewegung siegt?

Pol Acózar: Die große Mehrheit des katalanischen Volks denkt, dass die Lösung des Konflikts demokratisch sein muss, über ein Referendum. Auch gibt es einen Mehrheitskonsens für die Verteidigung der katalanischen Institutionen und der Souveränität des Parlaments. Innerhalb dieses Konsenses gibt es einen Block, der als Ziel die Loslösung hat, während ein anderer Block anstrebt, sich als Republik frei mit den anderen Völkern Spaniens zu verbinden. Es ist schwierig zu sagen, welche der beiden Positionen die Mehrheit darstellt. „Comunistes de Catalunya“ steht für die zweite Option. Unser Ziel ist eine Katalanische Republik, die frei an eine Union von Republiken Spaniens föderiert ist. Unsere Strategie ist es, einen Verfassungsprozess in Katalonien zu unterstützen, um eine solchen Verfassungsprozess im ganzen spanischen Staat anzutreiben. Wir wollen die Monarchie und die franquistischen Institutionen abschaffen, um eine neue Gesetzlichkeit zu schaffen, die aus den Wünschen des Volkes kommt.

Eigentlich ist der Kampf des katalanischen Volks der gleiche wie der aller Völker Spaniens. Das Regime unterdrückt Katalonien und auch das Baskenland, Galizien, Andalusien, Extremadura, Kastilien … Es ist kein Kampf der Völker gegeneinander, sondern einer der Völker gegen das tyrannische Regime. Indem das katalanische Volk unterdrückt wird, wird das deutlich. Inzwischen ist die Mobilisierung für den 1. Oktober nicht mehr allein eine für die Unabhängigkeit Kataloniens, sondern eine der demokratischen Würde. Eine wichtige Welle der Solidarität breitet sich in ganz Spanien aus, weil es dort viele Menschen gibt, die sich der Gewichtigkeit der Sache bewusst sind.

UZ: Angenommen, Katalonien erreicht die Unabhängigkeit – was ist die Zukunft des spanischen Staats und die des Kontinents? Immer mehr Spaltungen …

Pol Acózar: Das heutige Europa ist ein Europa von Staaten und Korporationen. Wir kämpfen für ein Europa der Völker und der Arbeiterklasse. Wir sind Kommunisten und wollen eine Gesellschaft ohne Klassen und Grenzen. Wir sind Internationalisten und verteidigen die Zusammenarbeit und Solidarität der Nationen. Die Verfassung einer Katalanischen Republik beinhaltet einzig die Anerkennung der Souveränität des katalanischen Volkes, selbst über sein Schicksal entscheiden zu können. Katalonien ist eine fortschrittliche, kosmopolitische Gesellschaft, die weltoffen ist und Avantgarde im Kampf für soziale Rechte und dabei zutiefst solidarisch. Wir sind überzeugt, dass das so bleiben wird.

Die Zukunft Europas geht entlang einer Anerkennung der Souveränität und einer Vertiefung der Demokratie. Bis jetzt ist Europa von oben gebaut worden; der Moment ist gekommen den Aufbau von unten aus anzugehen.

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"„Unser Ziel ist eine Katalanische Republik“", UZ vom 29. September 2017



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