90 Jahre nach dem „Berufsbeamtengesetz“ wird am Disziplinarrecht gedreht

Unselige Tradition

Am 7. April 1933 erließen die Nazis das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, mit dem Juden, Menschen jüdischer Herkunft und politisch missliebige Personen aus dem Staatsdienst entfernt wurden. Mit dem sogenannten „Arierparagrafen“ (Paragraf 3) konnten Menschen aus dem Beamtenstand entlassen werden, die „nicht arischer“ Abstammung waren. Dazu reichte ein jüdisches Großelternteil im Stammbaum aus. Paragraf 4 besagte, dass Beamte im Staatsdienst nicht zu dulden seien, „die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten“.

Der „Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung der Grundrechte“ erinnert anlässlich des 90. Jahrestages des Gesetzes daran, dass der sogenannte „Radikalenerlass“ aus dem Jahr 1972 inhaltlich und personell eng mit dem Nazi-Gesetz verquickt war: „Schriftführer des Grundsatzbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts von 1975 zu den Berufsverboten war der ehemalige Nazi-Jurist Willi Geiger. Er hatte bereits in seiner Dissertation Berufsverbote für jüdische und linke Journalisten befürwortet. In der Bundesrepublik war er 26 Jahre lang (von 1951 bis 1977) Richter am Bundesverfassungsgericht!“ Auch die Formulierung, dass nur Beamter werden dürfe, „wer die Gewähr bietet, dass er jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt“, sei fast wörtlich aus dem Säuberungsgesetz von 1933 übernommen worden. Beide Regelungen stützten sich auf eine Gesinnungsprognose und hatten zu einer Beweislastumkehr geführt. „Diese Prinzipien sind mit einem demokratischen Rechtsstaat unvereinbar“, so der Bundesarbeitsausschuss.

Scharfe Kritik üben die Initiativen an der beabsichtigten Änderung des Disziplinarrechts durch Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Die Ministerin hatte angekündigt, „Verfassungsfeinde deutlich schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst“ entfernen zu wollen. Zu diesem Zweck sollen zukünftig keine Disziplinarverfahren vor Verwaltungsgerichten mehr notwendig sein, um eine Entlassung zu erreichen. Stattdessen soll ein einfacher Verwaltungsakt des Dienstherren ausreichen. Damit werde die Uhr „wieder in die 1970er Jahre zurückgedreht“, heißt es in der Mitteilung des Bundesausschusses. Laut Nancy Faeser soll das neue Gesetz vor allem im „Kampf gegen rechts“ zur Anwendung kommen. Die Initiativen weisen jedoch darauf hin, dass im Sinne der Hufeisentheorie lediglich der Begriff „Extremisten“ verwendet werde. Schon der „Radikalenerlass“ wurde fast ausschließlich gegen Linke angewandt.

Auch der DGB hatte sich in einer Stellungnahme gegen die „Abschaffung der Disziplinarklage und deren Ersetzung durch die Disziplinarverfügung für sämtliche Disziplinarmaßnahmen“ gewandt. Die „Anforderungen an ein unparteiisches, die Fairness sicherndes Verfahren“ seien nicht gewährleistet, erklärte der Gewerkschaftsbund.

Der „Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote“ fordert die Rehabilitierung und Entschädigung aller von Berufsverboten Betroffenen und die Anpassung der Beamtengesetze an internationale Standards. „Auch jeder neuen Spielart von Berufsverboten werden wir entschieden entgegentreten“, sagt Werner Siebler, Sprecher des Bundesarbeitsausschusses.

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"Unselige Tradition", UZ vom 31. März 2023



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