50 Jahre ist es her, dass der Radikalenerlass verabschiedet wurde. Aus diesem Anlass zeigte die ARD am Montag gegen Mitternacht eine Dokumentation über die Berufsverbotspraxis in der Alt-BRD. In „Jagd auf Verfassungsfeinde – Die Opfer des Radikalenerlasse“ von Hermann G. Abmayr kommen mehrere Berufsverbotsopfer zur Sprache. Über ihr Schicksal berichten unter anderem die Lehrerin Silvia Gingold und der Lehrer Klaus Lipps sowie der Briefträger Werner Siebler, die wegen ihrer DKP-Mitgliedschaft ins Visier des Staatsschutzes gerieten und trotzdem nicht aufhörten zu kämpfen. Aber auch der Ex-Maoist Winfried Kretschmann (Bündnis 90/ Die Grünen) kommt zu Wort, auch wenn er heute als baden-württembergischer Ministerpräsident von einer Entschuldigung und Wiedergutmachung für die Opfer, zu denen er zählt, absieht.
Gespickt mit Originalaufnahmen werden die Lebens- und Kampfwege der Berufsverbotsbetroffenen nachgezeichnet und das Unrecht, das ihnen geschehen ist – untypisch für die bundesdeutsche Geschichtsschreibung – auch als Unrecht demaskiert. Der Rechtsanwalt und Kolumnist der „Süddeutschen Zeitung“ Heribert Prantl tritt als Kronzeuge für die Betroffenen auf und fragt, wie es sein konnte, dass der Berufsweg der Kinder von NS-Verfolgten verbaut wurde durch Nazi-Richter, aber auch Politiker wie Willy Brandt (SPD), der einst gegen die Nazis gekämpft hatte.
Entwarnung möchte die Dokumentation nicht geben. Auch wenn der EU-Gerichtshof für Menschenrechte die BRD 1995 wegen der Berufsverbotspraxis verurteilt hat, besteht sie weiterhin fort. Zum einen, weil die Opfer bis heute auf Rehabilitation pochen müssen, aber auch, weil der Radikalenerlass noch heute seine Wirkung entfalten kann. 2016 war dem Kommunikationswissenschaftler Kerem Schamberger wegen seiner damaligen DKP-Mitgliedschaft seine Stelle an der Universität München zuerst verwehrt worden. Zusammen mit dem KZ-Überlebenden Ernst Grube, dem schon vor dem Radikalenerlass ein Berufsverbot als Berufsschullehrer drohte, wird im Film klargestellt, dass Berufsverbote kein Ausrutscher der 1970er und 1980er Jahre waren, sondern dass auch 50 Jahre nach dem Radikalenerlass die Losung sein muss: Weg mit den Berufsverboten!