EU und Bundesregierung verhindern humanitäre Hilfe in Syrien

Unnötiges Leid

Wochen nach den schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien lassen sich die Schäden noch nicht abschließend beurteilen. Tausende Tote und unmittelbare materielle Schäden in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar – das ist die vorläufige Schreckensbilanz für Syrien. In der Türkei rechnet man mit zehn Jahren, um die Schäden endgültig zu beheben. In Syrien scheitert jede Abschätzung an den Auswirkungen der Sanktionen. Zudem sind neben den Provinzen Aleppo und Latakia auch Gebiete in Idlib betroffen, die unter Kontrolle der Türkei und mit dieser verbündeter Dschihadisten stehen.

Der syrische Außenminister Mikdad beklagte in einer Videobotschaft an das Menschenrechtskomitee der UN die Haltung des Westens, der selbst gegenüber den Rufen der Verschütteten taub blieb. Taub blieb die EU, die zunächst vor jeder Hilfe das richtige Formblatt verlangte, was die syrische Regierung schnellstmöglich nachliefert. Und taub blieb insbesondere die Bundesregierung, die nach dem Erdbeben jede Lockerung der Sanktionen von sich wies.

Diese Haltung des Westens ließ sich nicht ohne Weiteres durchhalten. Zu mächtig waren die Bilder der Verwüstung, zu stark war der Eindruck der Hilfslieferungen aus dem Irak, aus Golfstaaten, aus Ägypten und von Hisbollah. Selbst das von NATO-Luftangriffen verwüstete Libyen lieferte Hilfe. Zu stark war für die Öffentlichkeit der Kontrast zwischen den unmittelbaren Hilfslieferungen für die Türkei und der unterlassenen Hilfeleistung des Westens für Syrien. Organisationen wie das Bremer Friedensforum oder der Verein „Freundschaft mit Valjevo“, die seit Jahren gegen die Syrien-Sanktionen aktiv sind, konnten unter diesem Eindruck große Beträge sammeln und für Projekte in Syrien bereitstellen.

Zwar betonte die EU immer wieder, ihre Sanktionen seien punktgenau, richteten sich gezielt gegen das „Regime“ und es gebe weitreichende Ausnahmen, um die Bereitstellung humanitärer Hilfe in allen Teilen des Landes zu gewährleisten. Hilfsorganisationen wussten, dass das Schutzbehauptungen waren. Allein die Verhinderung des Geldtransfers behinderte jede wirtschaftliche Entwicklung in Syrien – und auch humanitäre Hilfe.

Und obwohl angeblich die Sanktionen humanitäre Hilfen nie behindert hätten, wollte der EU-Ministerrat seine Strafmaßnahmen jetzt anpassen. Ähnlich in Großbritannien, wo seit dem 15. Februar neue Erlasse es Hilfsorganisationen erleichtern sollen, in Syrien zu arbeiten, ohne gegen die Sanktionen zu verstoßen. Und auch die USA setzen Teile des „Caesar Act“, der jede wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Syrien weltweit unter Strafe stellt, für180 Tage aus.

Die Staaten der EU brüsten sich nach wie vor mit ihrer Hilfe, die an der syrischen Regierung vorbei und vor allem in die Gebiete geliefert wird, die unter Kontrolle der Dschihadisten stehen. Rumänien und Italien sind Ausnahmen und lieferten teilweise privat organisierte Hilfe an den Syrischen Roten Halbmond. Und die UNICEF arbeitet aktuell gemeinsam mit der syrischen Regierung, um Schulen wiederherzustellen. Eine Impfkampagne soll die Ausbreitung von Krankheiten verhindern.

Die weltweite Isolierung Syriens, die der Westen seit Jahren verfolgt, gerät ins Wanken. Assads Staatsbesuch in Oman, Regierungsvertreter und Delegationen, die Damaskus besuchen, sind ein Teil der Veränderungen. Eine Kampagne gegen die Sanktionen, die in vielen Ländern aktiv ist – auch in Berlin gab es eine Kundgebung – plant einen Konvoi, der von allen arabischen Hauptstädten aus Damaskus anfahren soll, um das Embargo zu durchbrechen.

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"Unnötiges Leid", UZ vom 10. März 2023



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