Das Marx-Zitat auf Seite 1 sollte ja wohl einen Bezug zum Titel haben. Es wird ja gerne benutzt, um Meinungen zu untermauern, die DGB-Gewerkschaften „verfehlten ihre Zwecke gänzlich“ oder doch weitgehend.
Das wirft Fragen auf: Spielen Zeit und Raum keine Rolle und ist diese formelhafte Anwendung hilfreich? Es ist von 1865. Längst war nicht klar, wie sich die Arbeiterbewegung künftig organisiert. Erst 1869 gründete sich die SDAP, 1875 kam es zum Zusammenschluss beider Parteien. Danach bildete sich die organisatorische Zweigleisigkeit heraus, hier die Partei als Avantgarde, dort die Gewerkschaften als Massen- und Klassenorganisation des Proletariats, in der es seine täglichen Kämpfe mit dem Kapital durchficht (Engels). Hier sei vorausgesetzt, dass unser Verhältnis zu den DGB-Gewerkschaften definiert ist (siehe Programm), wir dabei um deren Stärken und Schwächen wissen.
Aber wie ist das heute praktisch? Richtig, die Reallöhne sanken von 2000 bis vor Kurzem. Richtig ist aber auch, dass sie in organisierten und tarifierten Bereichen real stiegen. Das Minus entstand, wo es kaum Organisierte gab. Ob, wie jüngst miterlebt, die eine ältere Kollegin ohne Gewerkschaft von ihrem Chef „eingemacht“ wird, auch weil sie die Verfahrenskosten scheut – beim Arbeitsgericht zahlt man erstinstanzlich immer selbst. Oder ob die andere von der DGB-Rechtsstelle kostenlos juristisch vertreten und moralisch unterstützt wird, ist doch wohl ein Unterschied.
Die Beispiele zeigen, dass im konkreten Leben die Gewerkschaften ihre Zwecke nicht gänzlich verfehlen. Wer hier unkommentiert zitiert, sollte sich fragen, was er – außer klugen Ratschlägen – dazu beigetragen hat, den Sammelpunkt des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals zu stärken.