Die Energiepolitik dieser Bundesregierung zu verfolgen, ist eine Qual. Unzählige geschlagene Haken, Heimatfront und „Doppelwumms“ zwingen die Bevölkerung in eine kurzsichtige Froschperspektive. Gänzlich ungeniert widersprechen sich die Regierenden selbst, springen von der „Gasbeschaffungsumlage“ zur bisher vollkommen unausgearbeiteten „Gaspreisbremse“, von der Uniper-Stütze zur Verstaatlichung. Die chaotische Krisenkommunikation erfüllt ihren Zweck, wenn selbst Interessierte irgendwann den Anschluss verlieren. Jeder halbgare Gedanke wird verschlagwortet und als „Eilmeldung“ verkauft. Die Nachrichtenflut verhindert den Überblick und damit die Erkenntnis, dass die Energiepolitik der Ampel ein gewaltiges Umverteilungsprogramm darstellt, das Gewinne sichert und Verluste sozialisiert. Solange nichts gewiss scheint, außer dass „der Russe“ an allem schuld ist, lässt sich jede Agenda irgendwie verkaufen – glaubt man in Berlin.
Schiebt man den alltäglichen Rummel für einen Moment zur Seite, eröffnen sich neue Perspektiven. Die gängigen Erzählungen rund um die Uniper-Verstaatlichung verlieren rapide an Strahlkraft, wenn die aktuellen Vorgänge in einem größeren Kontext betrachtet werden. Uniper wurde im Jahr 2016 von E.ON abgespalten und galt schon damals als fossile „Bad Bank“, die alles übernahm, was der grüngewaschene E.ON-Konzern nicht mehr gebrauchen konnte. Dazu gehörten die zukunftslosen Geschäftsfelder der Kohle- und Gasverstromung; später kamen noch ein paar schwedische Kernkraftwerke hinzu. Uniper verwaltete also den absehbaren Niedergang des fossilen Sektors und schützte die E.ON-Aktionäre vor möglichen Energiewende-Risiken. Dass diese Geschäftsidee früher oder später auf Staatshilfen angewiesen sein würde, war kein Geheimnis. Der konkrete Anlass dafür war natürlich nicht vorherzusehen. Doch nun setzt sich das im Jahr 2016 angelegte Räderwerk in Bewegung.
Die Uniper-Rettung kommt also weder überraschend, noch haben ihre tieferen Ursachen etwas mit der Ukraine oder „dem Russen“ zu tun. Die Sozialisierung der kommenden Verluste war vielmehr der Kern des Geschäftsmodells. Einen solchen Konzern überhaupt zu ermöglichen und zuzulassen, dass er eine Schlüsselrolle in der bundesweiten Gasversorgung einnimmt, zeigt den ganzen Wahnsinn der neoliberalen Energiepolitik. In eingeübter Kurzsichtigkeit werden diese Umstände außer Acht gelassen und die Uniper-Verstaatlichung allein auf die aktuelle Lage bezogen. Ein wichtiges Argument ist die angebliche Rettung der zahlreichen Stadtwerke, die von Uniper beliefert werden. Auch wenn die Gaslieferungen erst einmal gesichert sein sollten: Das Kernproblem der Stadtwerke, der viel zu hohe Gaspreis, bleibt weiterhin bestehen. Davon sind nicht nur die Uniper-Kunden betroffen. Die Daseinsvorsorge kann nur dann funktionieren, wenn die Haushalte in der Lage sind, ihre Rechnungen zu bezahlen. Kommt es zu größeren Ausfällen, wackeln die Stadtwerke und mit ihnen die Gas-, Wasser- und Stromversorgung sowie der ÖPNV. Daran hat sich auch durch die vagen Ankündigungen einer Gaspreisbremse nichts geändert.
Der Deutsche Städtetag forderte am vergangenen Mittwoch nochmals einen „Rettungsschirm“ für die kommunalen Unternehmen. Die ersten Städte, so hieß es in der Pressemitteilung, müssten ihre Stadtwerke bereits mit hohen Millionenbeträgen stützen. Das könnten jedoch „nicht alle Städte leisten, schon gar nicht über lange Zeit“. Für Millionen Menschen tickt die Uhr, werden die Forderungen nach spürbaren Entlastungen und einem Ende des Wirtschaftskrieges drängender. Es wäre möglich, eine öffentliche und verlässliche Energieversorgung sicherzustellen. Stattdessen wird weiter auf private Großkonzerne gesetzt und an vermeintlich heilsbringenden Marktmechanismen herumgedoktert.