Anfang der Woche waren die Meinungsverschiedenheiten scheinbar noch unüberbrückbar, war die Liste der offenen Fragen lang, nachdem zuvor Einigung in wichtigen Fragen in Sicht schien. Ob also die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition erfolgreich zu Ende geführt wurden, ergab sich erst im Laufe der Woche (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe der UZ). Scheitern sie oder lehnt die folgende Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen am 25. November die ausgehandelten Kompromisse ab, sind Neuwahlen oder – was gleichfalls nicht zu „stabilen Verhältnissen“ führen würde und auch für Wahlforscher bzw. Politikwissenschaftler keine Option ist – eine Minderheitenregierung möglich. Oder gibt es, trotz aller bisherigen Beteuerungen führender SPD-Vertreter, etwa doch eine neue Große Koalition?
Noch am Dienstag sah es jedenfalls nicht so aus, als würden sich die Verhandlungspartner in strittigen Fragen einigen. So hatte zwar zum Beispiel Jens Spahn (CDU) Anfang der Woche im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik ein Einlenken der Unionsparteien angedeutet, doch prompt kam Widerspruch aus den eigenen Reihen. Alexander Dobrindt (CSU) und Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) lehnten es ab, in der Flüchtlingsfrage, vor allem im Zusammenhang mit dem Familiennachzug für „subsidiär Geschützte“, von den eigenen harten Positionen abzugehen. Auch im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung und der Telekommunikationsüberwachung wollten die Unionsparteien nicht einlenken. In Klimafragen deuteten die Grünen Kompromissbereitschaft an, lehnten aber ein Abrücken von den international wie national vereinbarten Klimaschutzzielen ab: Die Unionsparteien beharrten jedoch weiter auf ihren Positionen, beschworen in diesem Zusammenhang „Energieengpässe“, die es geben werde, wenn der Kohleausstieg durchgesetzt würde. Fachleute und der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) widersprachen. Auch bei der „Europa-, Außen- und Innenpolitik, beim bezahlbaren Wohnen, bei guter Arbeit, der Verkehrs- und Agrarwende spüren wir keinerlei Entgegenkommen“, erklärte der Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, am vorigen Sonntag in der „Bild“-Zeitung. Bei „Exporten von Waffen und Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien gibt es noch keine Bewegung bei Union und FDP“, rügte die Vizepräsidentin des Bundestages Claudia Roth (Grüne).
„Eine Brücke kann man nicht nur von einer Seite bauen“, beklagte Katrin Göring-Eckardt, neben Anton Hofreiter Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Ende der vorigen Woche die mangelnde Kompromissbereitschaft der anderen Parteien. Mal sehen, ob sie dazu noch am Ende der Woche steht.