Bekanntlich hat die Rhön AG – seit zehn Jahren Eigentümerin der Unikliniken Gießen-Marburg (UKGM) – im vorigen Jahr einen großen Teil ihrer Krankenhäuser an den Medizinkonzern Fresenius verkauft, für mehr als zwei Milliarden Euro. Hauptnutznießer dieses Deals war der Rhön-Gründer und Großaktionär Eugen Münch, der dabei einige hundert Millionen Euro eingenommen haben dürfte.
Angewandt wurde dabei das Heuschrecken-Prinzip: Betriebe billig einkaufen, auf Kosten des Personals (bei Krankenhäusern auch der Patienten) profitabel machen und dann teuer wieder verkaufen. Damit es weiter aufwärts geht mit dem Profit ist Rhön schon wieder auf der Suche nach Kliniken und Medizinischen Zentren, die sie für ein paar Euro kaufen und nach Wertsteigerung wieder abstoßen kann. Außerdem ist der Konzern auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern wie der ambulanten Krankenversorgung. Konkret plant das UKGM, frei werdende Arztpraxen in ihrem Einzugsbereich aufzukaufen und die so hinzugewonnen Patienten von angestellten Ärzten versorgen zu lassen. Den vertrauten Hausarzt, der vom Patienten mehr kennt als die Krankenakte, gibt es dann nicht mehr. Für die Rhön AG gibt es nicht nur eine zusätzliche Einnahmequelle, sondern auch der Nachschub für Operationssäle und Krankenbetten wäre gesichert.
Das passt zur Ideologie des Rhön-Patriarchen Münch, der 2014 ein Buch mit dem Titel „Netzwerkmedizin“ veröffentlicht hat, in dem er für die völlige Privatisierung des sogenannten Gesundheitsmarktes plädiert.
Mit Gesundheit hat die privatisierte Medizin natürlich nichts zu tun; für die Betreiber dieses Marktes gibt es nichts Schlimmeres als gesunde Menschen. Möglichst gesund bleiben sollen nur die eigenen Beschäftigten – in deren Dienstplänen sind Ausfälle wegen Krankheit nicht vorgesehen.
Ob in der Pflege, der Verwaltung oder in Hilfsdiensten – wenn jemand krank wird, sollen deren Arbeit die anderen mit erledigen. Da es keine verbindlichen Vorschriften für die Personalbemessung gibt und die Geschäftsführung mit dem Pflichtbewusstsein ihrer Belegschaft rechnet, werden den Beschäftigten immer größere Belastungen abverlangt.
Am Berliner Uniklinikum Charité gibt es zurzeit einen Streik, bei dem es nicht um mehr Geld, sondern um mehr Personal geht.
Auch am UKGM laufen Tarifverhandlungen. Die Gewerkschaft ver.di fordert für die etwa 7 000 Beschäftigten 7,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 120 Euro mehr im Monat. An einem Warnstreik am 24. Juni beteiligten sich mehrere Hundert Personen, fast alle Operationssäle waren für diesen Tag lahmgelegt. Der Warnstreik war verbunden mit einer bundesweiten Aktion gegen den Pflegenotstand, in der sich die Belegschaften vieler Krankenhäuser mit dem Streik an der Charité solidarisierten.