„Mit brennender Geduld“ in Esslingen auf der Bühne

Unglaublich politisch

Von Anna Cordi

Die Aufführung des Duo Phantasma: 30.9./21.10./18.11., Beginn jeweils um 17.30 Uhr SCALA (ehemals Filmtheater) in Esslingen am Neckar

Buch: Mit brennender Geduld, Roman von Antonio Skármeta, Piper Taschenbuch

Originaltitel: El cartero de Neruda

Die beiden Filme: Ardiente Paciencia & Abschied in Berlin, 1983 Regie: Skármeta, Antonio

Il Postino (Der Postmann), 1994 Regie: Michael Radford

Auch und möglicherweise gerade in der sogenannten Provinz wird oft sehr engagiert, mit viel Einsatz und Risiko eine Kulturarbeit geleistet, die Aufmerksamkeit verdient.

In der „Scala“ in Esslingen bietet das „Duo Phantasma“ noch drei mal die Gelegenheit, ein sehr schönes Stück Literatur kennenzulernen bzw. sich wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das Duo, das aus einem Sprecher und einem Musiker besteht, bringt den Roman „Mit brennender Geduld“ von Antonio Skarmeta auf die Bühne. Michael Stülpnagel gelingt es in seiner szenischen Lesung, allen Figuren Leben einzuhauchen, Johannes Weigle begleitet ihn dazu an mehreren Instrumenten. Skarmeta schrieb die Geschichte über den Postboten Mario, der sich durch erstaunliche Beharrlichkeit mit seinem einzigen Kunden anfreundet, dem großen Poeten Pablo Neruda, bereits in den 1980er Jahren. Es ist ein Werk, wie es anscheinend nur lateinamerikanischen Autorinnen und Autoren gelingt: eine wunderschöne Geschichte über die Liebe, über die Poesie, die Freundschaft und die sogenannten kleinen Leute. Wenn Neruda mit Mario über die Macht der Metaphern spricht, die Mario helfen sollen, das Herz der geliebten Beatrice zu erobern, ist das witzig, romantisch, poetisch – und auch unglaublich politisch.

Während die Aufmerksamkeit auf die WM und sinnfreie Massenunterhaltung gelenkt wird, kommt hier ein Stück auf die Bühne, das so lehrreich und zugleich so unterhaltsam ist. Wer es nicht ins ferne Esslingen schafft, eine Kreisstadt südöstlich von Stuttgart, dem sei ans Herz gelegt, den Roman zu lesen. Wer ihn schon gelesen hat, der lese ihn noch einmal und immer wieder. Es gibt immer wieder Neues darin zu entdecken. Er ist sicher nicht nur die großartigste Liebeserklärung an Pablo Neruda, wie der Verlag schreibt, sondern noch viel mehr.

Bekannt wurde die italienische Verfilmung unter dem Titel „Il Postino – Der Postmann“, in der jedoch der politische Charakter Nerudas und der Zeit kurz vor dem faschistischen Putsch wenig Beachtung erfährt. Lohnender ist die Verfilmung des Autors selbst, der auch als Regisseur gearbeitet hat. Die DVD mit dem Titel „Ardiente paciencia“ ist seit kurzem wieder erhältlich.

Es ist ein großer Verdienst des Duo Phantasma, dass es den Mut hat, den politischen Charakter des Buches zu erhalten. Keine Selbstverständlichkeit in unserer Zeit, in der die Rechtsentwicklung vor der Kultur nicht halt macht. Was brauchen wir also in diesen Zeiten? Neruda hat darauf schon in seiner Nobelpreisrede 1971 eine mögliche Antwort gegeben: „Also muss ich den Menschen guten Willens, den Arbeitern, den Dichtern, sagen, dass in diesem einen Satz Rimbauds die ganze Zukunft ausgedrückt ist: Nur mit brennender Geduld werden wir die strahlende Stadt erobern, die allen Menschen Licht, Gerechtigkeit und Würde schenken wird. So wird die Poesie nicht vergebens gesungen haben.“

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"Unglaublich politisch", UZ vom 20. Juli 2018



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