Der US-Amerikaner Dewayne Johnson arbeitete jahrelang mit Glyphosat. Als Hausmeister an einer Schule setzte er das Pflanzengift ein, um Unkräuter zu beseitigen. Dabei kam er mehrmals mit dem Stoff direkt in Berührung, litt unter schmerzenden Hautverletzungen. Heute ist Johnson ein gezeichneter, sterbender Mann. Diagnose: Lymphdrüsenkrebs im Endstadium. Er hat den Glyphosat-Hersteller Monsanto verklagt, führt derzeit einen spektakulären Prozess gegen das Unternehmen, das seit der Firmenübernahme zum Bayer-Konzern gehört. In erster Instanz wurde ihm eine Entschädigungszahlung von 78 Millionen Dollar zugesprochen. Die Berufung läuft.
Johnson ist nicht allein. In den USA hängen aktuell tausende Klagen von Krebspatienten gegen Bayer-Monsanto an. Die Zweifel an der jahrelang behaupteten Unschädlichkeit von Glyphosat wachsen, sogar bei den Bayer-Aktionären. Im Zuge der Prozesse und der Monsanto-Übernahme halbierte sich der Aktienkurs des Unternehmens nahezu. Indessen zeigt sich die Bundesregierung unbeirrbar. Nachdem das Bundesumweltministerium im vergangenen Jahr noch einen halbherzigen Glyphosat-Ausstieg angekündigt hatte, gab das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vor wenigen Tagen die Zulassung von 18 Pflanzenschutzmitteln bekannt, darunter auch ein glyphosathaltiges Herbizid.
In unseren Städten und Gemeinden werden die Bedrohungen durch Glyphosat konkret, weil es in unmittelbarer Nähe der Menschen, auf Ackerflächen, Grünanlagen und in Gärten ausgebracht wird. Bereits 2016 wies eine Studie im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung Glyphosat-Rückstände im Urin von fast 2 000 Studienteilnehmern nach. Bei 75 Prozent der Teilnehmer wurde eine deutliche Belastung mit dem Stoff festgestellt. Auch Flora und Fauna werden geschädigt. Als sogenanntes Totalherbizid tötet Glyphosat jede Pflanze ab, die nicht gentechnisch so verändert wurde, dass sie den Herbizid-Einsatz überlebt. Diese Säuberung der Flächen von „unerwünschtem“ Bewuchs beraubt Insekten ihrer Lebensgrundlage. Das vieldiskutierte Insektensterben wird vorangetrieben. Auch Vögel, Wasserlebewesen und Bodenbewohner werden direkt oder indirekt belastet.
In den Kommunen wird nach und nach erkannt, dass seitens der EU oder der Bundesregierung kein Schutz vor diesen Gefahren zu erwarten ist. Diese Situation von konkreter Gefährdung bei gleichzeitiger Schutzlosigkeit lässt in vielen deutschen Kommunen ungewohnte Bündnisse wachsen. Nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verzichten derzeit mehr als 460 Städte und Gemeinden auf die Anwendung von Glyphosat auf städtischen Flächen. In dieser Zahl steckt Dynamik: Noch vor einem Jahr waren es knapp 160. In zahlreichen Kommunen wurde darüber hinaus verfügt, dass auch auf verpachteten Äckern kein Glyphosat mehr ausgebracht werden darf. Vielerorts gab es begleitende Beschlüsse, die sich auf andere Pestizide bezogen oder verstärkte Naturschutzmaßnahmen (etwa die Anlage von Blühstreifen) einforderten. Nicht selten stimmten dabei progressive Kräfte gemeinsam mit Sozialdemokraten, Grünen und sogar Konservativen. Die Gegenoffensive, insbesondere der Agrarlobby, die sich in den vergangenen Jahren in Brüssel und Berlin gut vertreten fühlen durfte, gerät ins Straucheln. Auf die dezentralen Entwicklungen und die voneinander unabhängigen Ratsbeschlüsse fällt die Einflussnahme schwer.
Es ist zu hoffen, dass die Zahl der glyphosatfreien Kommunen weiter zunimmt. Die Städte und Gemeinden haben die Gelegenheit, den Anwendungsraum für das gefährliche Herbizid entscheidend einzuengen, Menschen und Umwelt zu schützen und den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen. Die Auseinandersetzung mit dem Bayer-Konzern und anderen Lobbyisten vor Ort kann dabei auch politisierend wirken. Jenseits des alltäglichen kommunalpolitischen Klein-Kleins zeigen sich Ansätze für eine antimonopolistische Politik in den Räten. Langfristig könnten die Glyphosatverbote noch weitaus mehr bewirken als das Offensichtliche. Eine zukünftige Ausweitung von Gentechnik in der Landwirtschaft und die damit verbundene Stärkung des Bayer-Monsanto-Monopols kann entscheidend behindert werden, wenn das für den erfolgreichen Anbau dieser Pflanzen wichtige Herbizid kaum noch eingesetzt werden darf. Gute Nachrichten.