Weil die Entwicklung neuer Wirkstoffe „nicht profitabel“ sei, verabschieden sich immer mehr Pharmakonzerne aus der Antibiotikaforschung. Die Pharmariesen wie Novartis und Johnson & Johnson verfahren profitorientiert, obwohl diese Forschung notwendig ist, um Medikamente gegen die todbringende Ausbreitung resistenter Keime herstellen zu können. Derzeit sterben an den Folgen von Infektionen mit resistenten Keimen allein innerhalb der EU jährlich etwa 33 000 Menschen. Falls nicht sofort gehandelt werde, könnten bald weltweit Jahr für Jahr zehn Millionen Menschen durch resistente Keime sterben, warnen die Vereinten Nationen.
Doch von solchen Schreckensmeldungen lassen sich die coolen Manager der Pharmaindustrie, die stets den Betriebsgewinn im Auge haben, keineswegs irritieren. Einer von ihnen bringt die marktwirtschaftliche Rechenweise so auf den Punkt: Mit Antibiotika lasse sich deutlich weniger Geld als mit Krebsmedikamenten verdienen, weil Antibiotika in der Regel nur wenige Tage lang eingesetzt werden. Darum könne keine Firma gegenüber ihren Eignern verantworten, in einen Bereich zu investieren, wo das Risiko hoch sei, dass man am Ende kein Geld für die kostenintensive Forschung bekomme. Es gebe zurzeit einfach keinen Markt für Antibiotika.
Dass pharmazeutische Marktwirtschaftsunternehmen gesundheitsschädigend agieren, indem sie nur solche Arzneimittel produzieren lassen, deren Verkauf ihr investiertes Geld vermehrt, davon berichtete „tagesschau.de“ am 12. September ausführlich. Zu ergänzen ist allerdings, dass die unbarmherzige Profitmacherei der Pharmakonzerne kein „Skandal“ ist, wie „tagesschau.de“ nahelegt, sondern kapitalistische Alltagspraxis.
Die bedenkenlose Jagd nach dem Maximalprofit ist nicht die Folge krankhafter Gier, wie ein Gedankenexperiment zeigt. Gesetzt den Fall, ein Pharmaunternehmen investierte sehr viel Geld in die Antibiotikaforschung, um einen Wirkstoff gegen resistente Keime zu entwickeln. Dann stiege der Preis des Medikamentes derart, dass es zu wenige Käufer fände. Infolge dieser marktwirtschaftlichen Fehlkalkulation gäbe es zwar ein hervorragendes Medikament, aber das Unternehmen ginge wegen dessen Unverkäuflichkeit alsbald bankrott. Weil also dieses paradoxe Problem systemisch ist, kann es erst jenseits der kapitalistischen Produktionsweise gelöst werden. Im herrschenden Marktwirtschaftssystem werden nur solche Menschen mit Waren beliefert, die zahlungsfähige Nachfrager sind. Nachfrager, die nicht über genügend Geld verfügen, sind keine. Installiert werden müsste deshalb eine Produktionsweise, deren Zweck nicht die Vermehrung des investierten Unternehmergeldes, sondern die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse ist.