Bereits im Sommer 2022 haben sich die Handwerker für den Frieden gegen die sogenannte „Zeitenwende“ und den Kriegskurs zu Wort gemeldet. Es folgten zahlreiche Friedensaktionen und ein Friedenskongress in Dessau mit breiter Beteiligung. Daran soll angeknüpft werden, verrät uns der Kreishandwerksmeister Karl Krökel im UZ-Interview.
UZ: Im April des vergangenen Jahres fand der erste Kongress der Handwerker für den Frieden in Dessau statt, mit bundesweiter und internationaler Beteiligung. Wie blicken Sie auf die vergangenen eineinhalb Jahre zurück?
Karl Krökel: Der Kongress hat die Handwerker für den Frieden darin bestärkt, dass eine glaubwürdige Friedensbewegung nötiger ist denn je. Eine Bewegung, die Verhandlungen statt Massensterben fordert, die der Kriegsbegeisterung der Regierenden entgegentritt und die den Verteidigungsminister in die Schranken weist, wenn er Deutschland wieder kriegstüchtig machen will. Dem haben wir uns gestellt, indem wir auch die Zusammenarbeit mit anderen Friedensaktivisten gesucht haben. Gleich nach unserem ersten Friedenskongress habe ich in Hamburg auf einer Friedensdemo geredet. Auf Einladung der AG Frieden Hamburg hielt ich einen Vortrag zum „Tag der Deutschen Einheit“. Thema war der „Verrat am Friedensangebot Gorbatschows durch die NATO-Osterweiterung“. In Rom sprach ich über Imperialismus in Deutschland. Die Handwerker für den Frieden hielten im November 2023 eine große Friedensdemonstration ab. Im Mai dieses Jahres folgten wir einer Einladung der „Initiative Frieden mit Russland“ nach Hannover. Dort haben wir gemeinsam darüber beraten, wie der Kurs der Kriegsvorbereitung in Deutschland aufgehalten werden kann. Diese Zusammenarbeit wollen wir fortsetzen und ausbauen.
UZ: Als friedensbewegter Kreishandwerksmeister haben Sie ein besonderes Ohr für das Handwerk: Was hat sich verändert? Wie ist die wirtschaftliche und soziale Lage?
Karl Krökel: Die Ampel hat den Mittelstand an die Wand gefahren. Wir haben mit ernsten Problemlagen zu kämpfen, zum Beispiel mit der Inflation in fast allen Bereichen und bei den Energiekosten, mit gestiegenen Investitionsaufwendungen, mit Schwierigkeiten bei der Ersatzteilbeschaffung, mit dem Fachkräftemangel, mit Liquiditätsproblemen sowie steigenden Kreditzinsen. Das alles belastet uns stark. Das verarbeitende Gewerbe befindet sich in einer Rezession. Der Mittelstand stirbt leise. Erst wenn Weltkonzerne wie VW und BASF Alarm schlagen, wird es ein politisches Thema. Wenn irgendwo eine neue Fabrik entsteht, dann wird das berechtigterweise gefeiert. Das Ereignis erhält politische und mediale Aufmerksamkeit. Wenn dagegen mittelständische Firmen, die gerade in Sachsen-Anhalt das Rückgrat der Wirtschaft bilden, Werke schließen oder verlagern, geschieht das meistens im Stillen. Der aktuellen Bundesregierung fehlt die Kraft, sich gegen diese Deindustrialisierung zu stemmen. 2022 haben wir mit unserem Obermeisterbrief an die Bundesregierung vorausgesagt, dass wir uns mit der von den USA aufgezwungenen Sanktionspolitik nur selber schädigen. Diese Schädigung dämmert so langsam bei immer mehr Menschen, weil der Karren tief im Dreck steckt, und er steckt weit tiefer drin, als es die Bundesregierung wahrhaben will. Und das alles, weil wir einen Wirtschaftskrieg gegen Russland losgetreten haben, den wir nicht gewinnen können. Einen Wirtschaftskrieg gegen eine Volkswirtschaft, die nahezu autark lebensfähig ist.
UZ: Wie blicken Sie auf den Ausgang der vergangenen Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg?
Karl Krökel: Die Ost-Wahlen haben in Deutschland eine merkliche Erschütterung verursacht.
Die Mehrheit der Bürger wünscht sich eine Politik der Diplomatie und Deeskalation. In puncto Frieden teilen wir einige Ziele des BSW. Der Widerstand in der CDU gegen eine mögliche Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht wächst und das BSW wiederum widerspricht allem, wofür die CDU steht. Entscheidend ist, dass die Ziele des BSW mit unseren übereinstimmen: Stopp der NATO-Expansion in Europa und Asien, gegen die bedingungslose Unterstützung eines globalen Weltordnungsanspruchs der USA, für eine eigenständige europäische Außen- und Sicherheitspolitik, gegen einen NATO-Waffen-Einsatz in Russland, für bedingungslose Waffenstillstände in der Ukraine und in Gaza, gegen die Stationierung von US-Raketen! Damit sind die Bedingungen für eine Koalition festgesetzt. Alles Positionen, die sich ein Großteil der Menschen im Osten wünscht und mit denen weiter Druck auf die Bundesregierung ausgeübt wird.
UZ: Welche Bedeutung hat die bundesweite Demonstration „Nein zu Krieg und Hochrüstung! Ja, zu Frieden und internationaler Solidarität“ am 3. Oktober in Berlin für Sie?
Karl Krökel: Diese bundesweite Demonstration hat eine sehr große Bedeutung, weil sie sich gegen die Stationierung von US-Raketen, gegen die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine oder Israel richtet. Wichtig ist, dass ein breites Bündnis von 3.000 Organisationen und Einzelpersonen hinter dieser Demonstration steht. Das ist der richtige Weg zu einer Mobilisierung. Was daraus werden könnte, zeigt das Beispiel der Friedensbewegung 1983 gegen die Aufstellung neuer amerikanischer atomarer Mittelstreckenraketen in der BRD und Westeuropa. Der Krefelder Appell war der wirkungsmächtigste Aufruf, den mehr als vier Millionen Menschen unterschrieben hatten. Dank der bundesweiten Demonstration heute und den zahlreichen Friedensaktionen im ganzen Land gelingt es der Politik und den Medien immer weniger, die Friedensbewegung zu bekämpfen oder ihre Einheit zu sprengen. Die einheitliche Friedensbewegung kommt zurück.
UZ: Der zweite Kongress war eigentlich schon beworben und musste jetzt verschoben werden, wegen der Erkrankung eines Hauptredners. Trotzdem ist die Stoßrichtung klar: Unter dem Motto „Wege zum Frieden – Russland, Ukraine und der Westen“ wollen Sie weiter an möglichen Friedensperspektiven arbeiten. Worum wird es konkret gehen?
Karl Krökel: Auf unserem ersten Kongress mit unserem Ehrengast Gabriele Krone-Schmalz haben wir sehr konstruktiv über friedliche Mittel und Wege der Konfliktlösung diskutiert – insbesondere was die Konfrontation zwischen NATO und Russland sowie die Gefahr der Selbstvernichtung anbelangt. Seitdem erleben wir, wie die Kriegsertüchtiger uns in einen Dritten Weltkrieg treiben. Die Handwerker für den Frieden tappen diesen Kriegstreibern auf ihrer Leimrute nicht hinterher. Die Meinungsmacher in der Politik und in den regierungsnahen Leitmedien verlangen immer dreister Gehorsam, was diesen Stellvertreterkrieg anbelangt. Jeder Diskurs wird verweigert und auch auf kommunaler und Landesebene herrscht die Philosophie des betreuten Denkens vor. Wir verweigern diesen Gehorsam und fühlen uns auch weiterhin verpflichtet, einen wirksamen Beitrag zur Beendigung des Krieges, für die Einstellung der Waffenlieferungen und das Ende der Sanktionen zu leisten. In den letzten Monaten wurde zunehmend der Wunsch an uns herangetragen, den Handwerker-Friedenskongress als wichtige Initiative fortzusetzen. Dem kommen wir nach. Für den zweiten Handwerker-Friedenskongress 2025 streben wir ein anderes Konferenzformat an, indem wir verschiedene Friedensinitiativen und auch kriegskritische Medien besser mit in die Konferenzplanung einbinden.
Das Gespräch führte Chris Hüppmeier