Diskussion im Nürnberger Gewerkschaftshaus über Widerstand gegen die Militarisierung des Bildungs- und Gesundheitswesens

Unermüdlich und mit allen Sinnen

Gunhild Hartung

„Zwang zur Militarisierung oder Zeitenwende? Wie stehen Gewerkschaften zur geforderten Kriegstüchtigkeit in Wissenschaft und Gesundheitswesen?“ – Ein sperriger Titel und eine viele Zeilen umfassende Einladung für eine Veranstaltung von ver.di und GEW in Nürnberg mit Vertretern der GEW, des IPPNW und des Friedensforums. Wer da dachte, an einem der heißesten Tage des Sommers kommt dafür doch keiner ins Gewerkschaftshaus, der irrte. Am vergangenen Freitag waren alle Plätze im Saal besetzt.

Wir sind alle umgetrieben von der Militarisierung in unserem Alltag, wir Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeden Alters brauchen den persönlichen Austausch, die gute Information und das gemeinsame Nachdenken über politische und private Möglichkeiten, den Krieg, der von der Regierung samt Opposition vorbereitet wird, zu verhindern.

Tags zuvor wurde in Bayern das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern“ im Landtag verabschiedet – als Blaupause für andere Bundesländer. Jugendoffizieren muss demnach Raum im Schulunterricht gewährt werden. Klauseln, die an Universitäten die zivile Nutzung der Forschung fördern, werden verboten. Widerstände werden per Gesetz unterbunden. Die Opposition im Landtag verstrickt sich in belanglose Widersprüche – über die Notwendigkeit prinzipieller Militarisierung sind sich dort alle Parteien einig.

Per Gesetz sollen auch im Gesundheitswesen künftig militärische Zwecke schwerer wiegen als zivile Bedürfnisse. Das „Gesundheitssicherstellungsgesetz“, das in den 80er Jahren an den Protesten scheiterte, wird wieder hervorgekramt. Noch wird wohl mit zu viel Widerstand gerechnet, wenn das marode System, das schon jetzt nicht funktioniert, neben wirtschaftlichen auch noch militärischen Zwängen unterworfen wird. Aber mit zunehmender „Bedrohungslage“ werden wir damit wieder konfrontiert sein. Karl Lauterbach hat es angekündigt.

Was tun? Diese Frage treibt uns alle um. Alle im Saal wissen, sie müssen selbstbewusst und fantasievoll ins Gespräch kommen für ihre Überzeugung einer friedlichen Gesellschaft. Unermüdlich, überall und mit allen Sinnen, nicht nur mit politischer Argumentation – die Militaristen machen das ja auch. Die sozialen Folgen der Militarisierung unserer Gesellschaft sind ja jetzt schon spürbar, Zukunftsängste und Unsicherheiten wachsen. Wir sind gefragt!

Die demokratische „Schulfamilie“ einbeziehen, wenn sich die Bundeswehr ankündigt. Den Auftritt von Soldatinnen und Soldaten im Unterricht vor- und nachbereiten. Aktivisten der Friedensbündnisse zu Wort kommen lassen. An den Unis informieren, Widerstand organisieren gegen die Einschränkungen in Forschung und Lehre. Weitere Gewerkschaften in die Pflicht nehmen, sich für die Rechte ihrer Mitglieder auf ein friedliches Leben in sozialer Sicherheit einzusetzen … Konkrete Fragen von Teilnehmern wie „Was kann ich als verbeamtete Lehrkraft tun, wenn die Bundeswehr sich ankündigt?“ regen noch auf dem Heimweg in der U-Bahn zum Weiterdenken an. Es ist gut, dass es auch mit den UZ-Friedenstagen in Berlin einen Ort gibt, wo diese Diskussionen weitergeführt werden können.

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"Unermüdlich und mit allen Sinnen", UZ vom 26. Juli 2024



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