Der Streit um die Schulsanierungen in Berlin ist noch lange nicht vorbei

Undurchsichtige Transparenzversprechen

Von Uli Scholz

In Berlin mussten zu Beginn des neuen Schuljahres Tausende neue Schulplätze geschaffen werden, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden. An vielen vorhandenen Schulen werden nun mehr Klassen unterrichtet, teilweise die Klassenfrequenzen erhöht auf bis zu 28 Kinder in einer Grundschulklasse. Die Förderung einzelner Kinder wird noch schwieriger, Teilungs- und Übungsräume entfallen, für die Arbeitenden wächst der Stress.

Der wachsende Schulplatzbedarf ist seit Jahren bekannt, der Personalmangel in den Bauverwaltungen und in der Bauwirtschaft wurde dennoch nicht behoben. Das „Personalpolitische Aktionsprogramm“ des Senats sei „bei weitem nicht ausreichend“, stellte der Rat der Bürgermeister 2017 fest. Statt die Ursachen des Mangels anzupacken und in Berufsausbildung und anständige Arbeitsbedingungen am Bau und in der Verwaltung zu investieren, verschiebt der Senat den Großteil des Baubedarfs an den Oberschulen zur landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft HoWoGe. Der GmbH soll das wirtschaftliche Eigentum an 29 Schulen per Erbpacht übertragen werden, damit Baumaßnahmen durch Privatkredite bezahlt werden können. Die für die HoWoGe fällige Miete soll das Land 25 bis 30 Jahre lang unkündbar an die Banken zahlen, unabhängig von der Auftragserfüllung durch die Bauunternehmen – „einredefrei“ lautet der Fachbegriff. Dass die HoWoGe nicht über schulbauerfahrenes Personal verfügt und Subunternehmer für die Planung beauftragen muss, verzögert die notwendigen Großsanierungen und Neubauten.

Demnächst wird sich das Berliner Abgeordnetenhaus in Form von Anhörungen mit dem Schattenhaushalt bei der HoWoGe befassen müssen, nachdem die Volksinitiative „Unsere Schulen“ 30 000 Unterstützungsunterschriften für dieses Verlangen vorgelegt hat. Im Juni erwiesen sich die Beteuerungen der Senatsparteien als haltlos, dass keine Privatisierung geplant sei. Recherchen der Berliner Zeitung brachten die Einschätzung einer Referatsleiterin der Senatsfinanzverwaltung ans Licht: „Bei den geplanten Mietverträgen zwischen den Bezirken und der HoWoGe handelt es sich im Kern um ein ÖPP-Modell.“ ÖPP (öffentlich-private Partnerschaft) führt bei Kommunen und Landkreisen in der Regel zu Mehrkosten, weil die privaten „Partner“ ihre vertraglichen Leistungen oft nur zum Teil erfüllen. Städte und Kreise können dann zwar vor Gericht prozessieren, müssen die Mieten der Schulen wegen der einredefreien Verträge aber trotz Erfüllungsmängeln jahrzehntelang weiterzahlen. Die ÖPP-Verträge mit Hochtief und SKE brachten dem Landkreis Offenbach eine Kostensteigerung von 750 Millionen auf 1,3 Milliarden Euro ein, den Konzernen aber 120 Millionen Euro Gewinn („junge Welt“ vom 9. Juni 2017). Ausgerechnet der frühere ÖPP-Chef der Hochtief AG, Bernward Kulle, berät nun den Berliner Senat bei der Schulbaufinanzierung, so die Berliner Zeitung.

Bei der schwierigen Aufgabe, die HoWoGe-ÖPP als transparente Form eines Schattenhaushalts („ÖÖP“ = öffentlich-öffentliche Partnerschaft) zur Umgehung von Verschuldungsverboten erscheinen zu lassen, bekam der Berliner Senat nun Unterstützung aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Ein Standpunktpapier aus dem RLS-Gesprächskreis Wirtschaftspolitik („Zukunftsinvestitionen ermöglichen – Spielräume der Schuldenbremse in den Bundesländern nutzen“) schreibt dieser ÖÖP Modellcharakter für andere Kommunen zu und verspricht, die Transparenz der HoWoGe-Geschäfte im Schulbau sei durchaus gesichert. Dem stehen Geheimhaltungsvorschriften in Bundesgesetzen und das Informationsfreiheitsgesetz entgegen, das die Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ausdrücklich verbietet. Wegen Geheimnisverrats stand vor wenigen Tagen das Verwaltungsratsmitglied eines kommunalen Betriebs, der Ratsherr Michael Gerber (DKP), vor dem Bottroper Amtsgericht. Eine Kritik des Standpunktpapiers aus der RLS vom Frankfurter GEW-Funktionär Herbert Storn und dem Autoren dieses Artikels hat „Gemeingut in BürgerInnenhand“ veröffentlicht.

Die Diskussionen sind nicht abgeschlossen und dank der Volksinitiative nun öffentlich. Allerdings schafft die HoWoGe vor den erzwungenen Anhörungen im Landesparlament schon einmal Tatsachen und schrieb Aufträge zur Planung von Großsanierungen an zehn Oberschulen europaweit aus. Bewerbungsfrist war bis zum 3. August 2018, die geschätzte Auftragssumme beträgt 119 Millionen Euro. Das Versprechen, den Rahmenvertrag mit der HoWoGe zu veröffentlichen, scheint für den Senat nicht mehr zu gelten, denn ohne einen Übergabevertrag wären die Bezirke als Schulträger für die Ausschreibungen zuständig. Transparenz sieht anders aus.

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"Undurchsichtige Transparenzversprechen", UZ vom 17. August 2018



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