Stiftung fordert mehr EU-Enthusiasmus Kommunalpolitische

Undankbare Kommunen

Kolumne von Vincent Cziesla

„Europas Regionen besser fördern“, so lautet der Titel der neuesten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die wichtigste Forderung des Papiers wird im letzten Satz erläutert: Es soll endlich „in ehrlicher und deutlicher Form dargestellt werden, welchen konkreten Beitrag Europa zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in den deutschen Regionen geleistet hat“. Diesem flammenden Aufruf für mehr Ehrlichkeit im Umgang mit der EU-Regionalförderung wollen wir uns nicht widersetzen.

Vincent Cziesla
Vincent Cziesla


Zu den harten Fakten: Die Bundesrepublik Deutschland zahlt im Jahr 2019 rund 25 Milliarden Euro in den EU-Haushalt ein. Im Gegenzug fließen knapp 12 Milliarden Euro über Förderprogramme nach Deutschland zurück. Wohlgemerkt „nach Deutschland“ und nicht „an den deutschen Staat“. Ein Großteil des Geldes landet am Schluss nämlich als Subvention bei privaten Unternehmen. Etwa 5 Milliarden Euro gehen jährlich als Direktzahlungen an die Landwirtschaft. Dicht gefolgt von Ausschüttungen in Höhe von 2,8 Milliarden Euro aus den „Europäischen Struktur- und Investitionsfonds“ (ESI). Von diesen Geldern flossen in der vergangenen Förderperiode zwischen 2007 und 2013 rund 22 Prozent (3,2 Milliarden Euro) als direkte Subventionen an Großunternehmen. Die EU-Fonds sind magisch: Sie verwandeln öffentliche Mittel in privates Kapital.

Und wo große Zauberkunst am Werke ist, ist die Illusion nicht weit. Die besteht in der Behauptung, dass die angesprochenen 25 Milliarden Euro der deutsche Beitrag für Frieden und Solidarität in Europa wären. Tatsächlich wird überwiegend profane Wirtschaftsförderung betrieben – so komplex und kompliziert gestaltet, dass der konkrete Fluss der Mittel kaum nachzuvollziehen ist. Soviel zum Thema „Ehrlichkeit“ – zurück zur Regionen-Studie der Ebert-Stiftung.

Auch Kommunen können sich um Fördermittel aus den ESI-Fonds bewerben. In Anbetracht der desolaten Finanzlage vieler Gemeinden erscheinen diese EU-Projekte manchmal als einzig verbleibende politische Handlungsmöglichkeit vor Ort. So kommt in der besagten Studie ein anonymer Beamter zu Wort: „Wir haben Gemeinden, wenn die ihre Verwaltungs- und Kreisumlage bezahlt haben, dann sind ihre gesamten finanziellen Mittel aufgebraucht.“ Ein anderer trägt vor: „Wir machen ja nur noch Projektpolitik.“ Diese „Projektpolitik“ muss man sich aber auch leisten können. Der Verwaltungsaufwand für die Beantragung der Fördermittel ist enorm; ärmeren Kommunen fehlt häufig das Personal dafür. Aufgrund der Verpflichtung zur Kofinanzierung müssen die Gemeinden darüber hinaus auch noch selbst Geld in die Hand nehmen, um an Fördermittel zu gelangen.

Außerdem orientieren sich die EU-Förderkriterien nicht an den Bedürfnissen strukturschwacher Kommunen, sondern einzig und allein an den strategischen Zielsetzungen der EU. Im Bereich der Regionalförderung sind diese Kernziele: „Stärkung der betrieblichen Wettbewerbsfähigkeit“ und „Europäische territoriale Zusammenarbeit“. Auf diese Weise schaffen es die Magier aus Brüssel, den Gemeinden eine Agenda überzustülpen, ohne das formale Recht auf Selbstverwaltung anzutasten. Das Setzen eigener Entwicklungsziele wird zum Privileg der gut ausgestatteten Kommunen. Alle anderen können nur bezahlen, was gefördert wird.

Auch Bund und Länder regieren mit ihren Förderprogrammen in die kommunale Selbstverwaltung hinein. Abhilfe könnte nur eine solide Gemeindefinanzierung schaffen, die Handlungsspielräume öffnet. Dem staatlichen Interesse, überregionale Ziele gesondert zu fördern, widerspräche das nicht. Solange die Kommunalpolitik jedoch immer mehr zur „Projektpolitik“ wird, wundern Sie sich nicht, wenn in Ihrer Stadt bald die Ampelanlagen digitalisiert werden, während die Schulen vergammeln. Senden Sie einfach einen stillen Gruß der Dankbarkeit nach Brüssel oder Berlin.

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"Undankbare Kommunen", UZ vom 6. Dezember 2019



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