Und wie das geht!

Von Guntram Hasselkamp

Das waren noch Zeiten, als „wir“ die naiven, armen, aber immerhin anständigen Schweine waren. Beinahe preußisch-korrekt. Ständig von gerissenen ausländischen Finsterlingen bedroht und an der Nase herumgeführt. Was war schon der heimische Sparkassendirektor gegen einen Lloyd Blankfein, oder Wolfgang Niersbach gegen einen Sepp Blatter, oder der BND gegen die NSA? „Ein Mehlwurm“, wie Gerhard Polt sagen würde.

Und nun? VW betrügt die halbe Welt mit einer gerissenen Software, der DFB kauft sich mit fremdem Geld ein „Sommermärchen“ genanntes nationales Saufgelage und der ach so harmlose BND spioniert dort, wo es nach den Worten der Kanzlerin gar nicht geht: unter Freunden. Selbst das „PKGr“, das Parlamentarische Kontrollgremium, das für gewöhnlich nichts weiß und dieses Nichts auch nicht weitersagen darf, scheint nun einen Verdacht zu haben: Die Bundesrepublik hat einen Auslandsgeheimdienst, der auch im Ausland spioniert. Auch bei „unsern europäischen Freunden“ und selbst bei unseren noch viel dolleren Freunden in der US-Regierung. Angeblich 700 Personen, 2 800 „Selektoren“. Das entspreche „ausdrücklich nicht dem Auftragsprofil der Bundesregierung an den BND“, glaubt der Spiegel. Und das, wo doch noch nicht einmal das „PKGr“ dieses „Auftragsprofil“ kennt. Vermutlich nicht einmal der BND. Und wenn, dann wird es ihm herzlich egal sein.

Dabei war die veröffentlichte Vermutung doch eher, dass sich der BND, nachdem die „Fremden Heere Ost“, 1991, weitgehend von der „Selektorenliste“ verschwunden waren, als Juniorpartner der NSA bei der Industriespionage gegen deutsche Unternehmen engagierte. Natürlich konnte und kann man nebenbei auch die Kanzlerin abhören, aber das dürfte doch von eher begrenztem Erkenntnis- und Unterhaltungswert sein. Dagegen weist selbst der deutsche Mittelstand in manchen Branchen durchaus Weltniveau auf. Technologisch – versteht sich.

Da wirft sich die Frage auf: Geht „Ausspähen unter Freunden“ nun doch, oder ist das da unter den „Freunden“ eigentlich gar keine Freundschaft. Die NSA errichtet mit dem Utah Data Centre eine gigantische Festplatte, welche die gesamte Kommunikation des Globus speichern kann. Selbst dem EuGH kommen da Zweifel angesichts des Daten-„Schutzniveaus“. Von bis zu einem Yottabyte, 1024 Byte,(Spiegel) ist die Rede. Das entspräche einer Speicherkapazität pro Kopf der Weltbevölkerung von etw 140 Terabyte. Etwa 140 handelsübliche Festplatten. Das Ganze, nur um einige Hochzeitsgesellschaften in Wasiristan in die Luft zu jagen, von denen digital ohnehin eher wenig zu haben ist, wäre doch etwas überdimensioniert.

Die schlichte Erkenntnis, an der man nur mit Verdrängungen wie „Sommermärchen“ vorbeikommt, heißt: Wir sind im Krieg. Und nicht nur von Libyen bis Wasiristan, sondern auch in Europa – ökonomisch und militärisch – und naturgemäß auch Reich gegen Arm. Dummerweise auch Arm gegen Arm und wie immer auch Reich gegen Reich. Die Fronten und Gemengelagen sind komplex. Nicht nur die „Selektorenliste“ der „Fremden Heere Ost“ ist wieder aktuell. Die imperiale Europapolitik der größten Kanzlerin aller Zeiten bedarf, hinter der grellen Euro-Bussi- und Flüchtlingskinder-Streichel-Fassade, der handfesten Feindaufklärung. Statt der stadtschlössernen Preußen-Nostalgie, repräsentiert die riesige, milliardenteure BND-Festung an der Berliner Chausseestraße, gewissermaßen in einer Germania-Neuauflage, den renovierten deutsch-europäischen Herrschaftsanspruch. Wenn das der Reinhard Gehlen noch erlebt hätte. Und schon der hätte sich von ein paar Hanseln einer „PKGr“ nicht in die Suppe spucken lassen. Nicht einmal 1947, als die alten Kameraden der nun CIA-finanzierten „Organisation Gehlen“ noch in der „Reichssiedlung Rudolf Hess“ campieren musste. „Aufgabenprofil“ – lächerlich.

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"Und wie das geht!", UZ vom 23. Oktober 2015



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