Von Nichtwahlen und Uwe

Und Tschau

Purzeltag I. Wochenende mit der lieben A. auf dem Bauwagencamping direkt anne Ruhr. Wir haben zwei tolle Wagen mit jeweils Doppelbett, Spüle, Kühlschrank und kleinem Herd, sie hat eine Kaffeemaschine, ich ein eigenes Klo. Man muss Prioritäten setzen können. Der Platzwart ist ein Original: „Ich Uwe, Bochum, Platzwart seit 40 Jahren.“ „Jau“, sag ich, „ich Karl, Dortmund, ahnungsloser Campinganfänger.“ Uwe lacht dröhnend, wir sind jetzt beste Kumpels. Sollte just die Welt untergehen, wir wären definitiv die ersten, denen er aus dem Schlamassel helfen würde. Weil „muss, woll?!“

8. Mai. Tag der Befreiung. Die deutschen Behörden befreien sich auch, und zwar von jeglicher Moral. Sie verbieten das Zeigen der Sowjetfahne ausgerechnet an diesem Tag. Und verhöhnen damit zehn Millionen Soldatinnen und Soldaten der Roten Armee, die für die Befreiung ihr Leben ließen. Insgesamt verloren mindestens 24 Millionen sowjetische Bürgerinnen und Bürger ihr Leben beim dreckigen faschistischen Überfall auf die Welt. Erinnerung an dunkelste deutsche Vergangenheit? Und Tschau.

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Purzeltag II. Wir können aus zwei Gründen nicht wie geplant Stand-Up-Paddler mit leeren Bierdosen bewerfen. 1. Es fahren hier einfach keine und 2. trinken wir Gin-Tonic. Aus Gläsern. Dafür geht nach einem herrlichen Tag die Sonne unter anne Ruhr, hunderte Fledermäuse zischen an unseren Köpfen vorbei (ohne uns nur einmal zu treffen, faszinierend), Reiherpaare gleiten in die Dämmerung. Wir sprechen über Eierlikör, warum auch immer, und erfinden am Schluss das schöne Wort „Reiherlikör“. Passt auch besser zu dem Getränk. Toll. Zufrieden geht es in die Betten. Und Tschau.

Wahlen. NRW hat gewählt. Oder zumindest 55,5 Prozent von NRW. Das heißt aber auch: 45,5 Prozent aller Wahlberechtigten, also sage und staune fast der Hälfte, ist es schnurzpappenscheißegal, wer bei uns über Finanzen, Umwelt, Mietpreise und den ganzen Mist entscheidet. Die Hälfte! „Letztlich war die Wahl selbst und gerade auch die zur Wahl stehenden Alternativen nicht attraktiv genug für die Wählerinnen und Wähler, um die geringen Mühen des Wahlgangs auf sich zu nehmen.“ (Thorsten Faas, Wahlforscher der Freien Universität Berlin) Und jetzt regiert mich bald die CDU, weil Menschen nicht die zweimeterfuzzig zum Wahllokal schaffen. Ja, danke auch.

Purzeltag III. Fahrradtour zum Baldeneysee, die Sonne brennt uns die Hirse vom Kopf. Die Fahrradwege hier sind total überfüllt und sehr gefährlich, Radrennvollidioten im High Speed treffen auf Omas mit lächerlich zu großen und schweren E-Rädern. Nachmittags kommen der Gartenbro mit Freundin, M. und A. und F. auch, wir grillen was vom Tier und von Boden und Strauch. Ich probiere Würste, die rein aus Pilzen bestehen, und muss nicht brechen. Kann man tatsächlich essen! Krass.

Umwelt. Ein seltsames Phänomen ist mir aufgefallen. Fuhr man früher im Sommer mit dem Auto, musste nach spätestens 200 Kilometern die Frontscheibe von vielerlei toten Arthropoden befreit werden. Das war unschön. Aber heute: Keimfrei. Kein Insekt fahrend erledigt. Das ist, wenn man mal kurz innehält und drüber nachdenkt, noch verdammt viel unschöner. Welt und Natur und Klima und so: Und Tschau.

Fußball. Frankfurt gewinnt in einem epischen Finale gegen die Glasgow Rangers den Verlierercup. Und das ist alles so sehr 80er Jahre, so unperfekt, so sehr wie es früher mal war, dass man vor Freude fast weinen möchte. Isso.

Auszeit. Liebe Leute, ich mache aus Gründen, die ich hier nicht erklären möchte und werde, ein paar Wochen Pause. Genießt die karlkolumnenfreie Zeit. Und lasst euch nicht unterkriegen. Das ist auch mein Plan.

Pace. Und Tschau.

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Humor anne Ruhr. Schön. (Foto: meins)

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"Und Tschau", UZ vom 27. Mai 2022



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