Versprochene linke Erfolge kann Perus Präsident auch nach einem Jahr nicht vorweisen

Und täglich grüßt die Regierungskrise

Theo Mai

Vergangene Woche erreichte die Regierungskrise in Peru ihren vorerst letzten Höhepunkt, als es zur ersten Razzia im Regierungspalast in der Geschichte des Andenstaates kam. Im Visier der Justizbehörde stand dabei Yenifer Paredes, die Schwägerin des Präsidenten Pedro Castillo, der die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird. So habe sie, angeblich unter Leitung Castillos, öffentliche Aufträge in Höhe von 1,5 Millionen Euro an Firmen ihrer Familie vergeben. Einen Tag nach ihrer Festnahme wurde dann das inzwischen sechste Strafverfahren gegen den Präsidenten eingeleitet. Und auch dies ist ein Novum: So wurden zwar alle Präsidenten der letzten 30 Jahre wegen Korruption angeklagt oder verurteilt, jedoch geschah dies nie während ihrer Amtszeiten.

Castillo streitet unterdessen alle Vorwürfe ab. Erst Ende Juli zeigte er sich in seiner Rede an die Nation kämpferisch: So habe die Rechte, die die Mehrheit im Kongress stellt, vom ersten Tag an durch politische und mediale Hetzkampagnen versucht, ihn aus dem Amt zu putschen. Der rechte Block kämpfe dagegen an, die von Castillo geforderten und geplanten Reformen für einen sozial gerechten Wandel umzusetzen. Er werde sich jedoch nicht kampflos ergeben und den Putschisten Platz machen.

Unterstützung erhält die peruanische Rechte unter anderem von der FDP-nahen „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ (FNF). So wurde Mitte Februar bekannt, dass Vertreter der FNF, unter anderem der Leiter des Büros für die Andenländer Jörg Dehnert, ein vertrauliches Treffen mit führenden Köpfen der Rechten organisiert und finanziert hatten, um die Absetzung des legitim gewählten Präsidenten zu diskutieren. Die FNF dementierte diese Darstellung zwar – sie habe nur ein politisches Forum für alle Parteien veranstaltet –, jedoch berichtete die peruanische Wochenzeitschrift „Hildebrandt en sus trece“, dass es hinter verschlossenen Türen nur einen Tagesordnungspunkt gegeben habe: die Feinabstimmung der Strategie, um Castillo aus dem Amt zu befördern. Verschiedene Abgeordnete des peruanischen Parlaments forderten daraufhin die sofortige Ausweisung der FNF aus Peru und erinnerten an deren Verbindung zum venezolanischen Putschisten Leopoldo Lopéz, den sie während des Wahlkampfs 2021 nach Peru eingeladen hatte.

Während die Rechte, unter Mithilfe von Teilen des deutschen Politikbetriebs, ein Jahr lang akribisch am Putsch gegen Castillo arbeitet, sah sich der Präsident jedoch auch stetig internen Machtkämpfen ausgesetzt. So musste er Anfang Juli aus seiner Partei Perú Libre (PL) austreten, um einem Ausschlussverfahren zu entgehen. Die Partei hatte Castillo schon nach wenigen Monaten Amtszeit immer wieder vorgeworfen, er würde deren linke und progressive Ideale verraten. So habe er vor allem durch pragmatische und sozialdemokratische Wirtschaftspolitik die nach dem marxistisch-leninistischen Programm der Partei geplanten grundlegenden Wirtschafts- und Verfassungsreformen verhindert. Castillos Regierung hatte etwa einen Gesetzentwurf vorgelegt, der „Monopole, Oligopole, Horten, Spekulation oder Preisabsprachen sowie den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung“ verbieten sollte, PL-Mitglieder hatten daraufhin jedoch gefordert, solche Gesetze nicht durch die Regierung zu erlassen, sondern endlich die versprochene Volksabstimmung über eine neue, linke Verfassung einzuleiten, um die geplanten Reformen verfassungsrechtlich zu verankern.

So hält die Regierungskrise seit Castillos Amtsbeginn an. Die Umfragewerte für ihn liegen im Keller, nur noch gut 20 Prozent der Bevölkerung unterstützen ihn. Doch die peruanische Rechte kann davon bislang nicht profitieren, sie wollen gerade einmal 15 Prozent der Peruaner an der Macht sehen. Die instabile politische Lage zeigt sich auch auf der Straße: Im April kam es wieder zu landesweiten Streiks wegen der Erhöhung der Kraftstoff- und Lebensmittelpreise, die auch die versprochene Verfassungsreform einforderten. Diese waren zwar nach einer Steuerbefreiung auf Treibstoff und der Aufhebung der Umsatzsteuer für Grundnahrungsmittel beendet worden, doch wenn das erste Amtsjahr Castillos eines eindrucksvoll bewiesen hat, dann dass der Weg zu progressiver, gar linker politischer Stabilität noch ein sehr weiter ist.

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"Und täglich grüßt die Regierungskrise", UZ vom 19. August 2022



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