Aus Anlass des Todes der Genossin Heidi Hummler • Von Anna Cordi

Unbequem, aber nie verletzend

Anna Cordi

Am 23. Januar verstarb im Alter von 91 Jahren die Stuttgarter Genossin Heidi Hummler. Heidi war eine in der Partei und weit darüber hinaus hoch angesehene Kommunistin, Antifaschistin, Gewerkschafterin, Kämpferin für Frieden und Frauenrechte. UZ dokumentiert Auszüge aus der Trauerrede von Anna Cordi.

Heidi liebte das Leben und hasste den Krieg. Sie hasste übrigens auch ihren richtigen Namen „Adelheid“, den der eifrige Beamte 1933 im Standesamt Weinsberg eintrug. Heidi sei kein deutscher Name und ihr Vater konnte sich zwischen Heiderose, Heidemarie oder Adelheid entscheiden. In der Welt, in die Heidi hineingeboren wurde, galt Adelheid als schöner germanischer Name – und die kleine Heidi entsprach auch noch dem absoluten Schönheitsideal des blonden, blauäugigen germanischen Mädchens. Es beschäftigte Heidi noch lange, dass die Naziideologie sich auch in ihrem Kinderkopf so festsetzen konnte, dass sie dem Rassenwahn zumindest eine Zeitlang Glauben schenkte.

Den Namen Hummler dagegen trug sie voller Stolz. Der Name des Widerstandskämpfers Anton Hummler, den die Nazis ermordeten und den sie nie kennenlernte, war für sie eine lebenslange Verpflichtung. Seinen Kampf weiterzuführen, war für sie selbstverständlich. Er prägte ihr Leben und ihren gesamten Werdegang.

Wie kam das Mädchen Heidi aus Heilbronn, dem die Nazis die Kindheit gestohlen hatten, nach Stuttgart, zu ihrer Partei, zu ihrem Ehemann Heinz, zu ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern?

In ihrem Buch „Er-Lebens-Ver-Lauf“ teilt Heidi ihr Leben in Kapitel: Kindheit, Krieg, Nachkriegsjugend, Neue Wege, Familie, Gewerkschafterin, Frieden oder Krieg, Sozialismus real und die Partei.

Ihre Kindheit im Krieg – die Bomben auf ihre Heimatstadt Heilbronn, die auch das Haus, in dem sie mit ihrer Mutter und den Geschwistern lebte, zerstörten –, hat Heidis Leben entscheidend geprägt. Sie mussten zu den Großeltern ziehen und dort auf das Ende des Krieges hoffen. Der Krieg ging zu Ende, aber Heidis Vater kam nicht zurück. Stattdessen kam eines Tages eine Karte: „Ostersamstag 1949. Ich kam von Ostereinkäufen nach Hause. Mama saß starr mit grauem, versteinertem Gesicht in der Küche auf einem Stuhl, meine Geschwister um sie gedrängt. Auf dem Tisch lag eine Karte. Ich wusste sofort, dass etwas Schreckliches passiert war. ‚Ich teile ihnen mit, dass ich mit ihrem Mann Paul Hoss zusammen im Kriegslazarett Frolow bei Stalingrad war und er dort im November 1944 verstorben ist.‘ Wir hatten keinen Papa mehr!“

Heidi hat die Schrecken des Krieges am eigenen Leibe erlebt – sie kannte Hunger, Not, das Leid der Verwundeten, den Schmerz, den der Verlust geliebter Menschen mit sich brachte. Ihr lebenslanger, leidenschaftlicher Streit für den Frieden hat seinen Ursprung in diesen Erfahrungen.

Eine wichtige Begegnung in den ersten Nachkriegsjahren hat sie in ihrem Buch beschrieben, das Kapitel heißt „Mein erster Kommunist“. Der Vermieter hatte die Plumpsklo-Gruben geleert und die Fäkalien unter das Fenster von Heidis Familie geschüttet. Keiner wollte helfen, alle fürchteten sich vor dem reichen, mächtigen Mann. Da rief Heidis Mutter kurzerhand im 60 Kilometer entfernten KPD-Büro an. Am nächsten Tag kam ein Genosse vorbei und knöpfte sich den Kriegsgewinnler, wie er ihn nannte, vor – ein Erlebnis, das großen Eindruck auf die junge Heidi machte. So fand sie nach dem Abschluss der Höheren Handelsschule in Tauberbischofsheim auch ihre erste Stelle bei Julius Schätzle in Stuttgart bei der KPD-Landesleitung. Gegen das Heimweh, das sie in der großen, fremden Stadt plagte, halfen nur Freunde, das wussten die Genossen. Und die fand Heidi schnell – erst bei den Naturfreunden und wenig später bei den Jugendfreunden der FDJ. Die verstanden sich aufs Diskutieren, aber auch aufs Feiern. Na ja, nicht alle. Eine Gruppe, die Westler, konnte auch bei den ausgelassensten Tanzveranstaltungen nicht aufhören. „Geh weg mit dem Sockahopf“ soll „ein bebrilltes Bürschchen mit noch nicht rasiertem Bartflaum“ zu Heidi gesagt haben.

Heinz trat in Heidis Leben. Es folgte eine relativ kurze Zeit in wilder Ehe – in den 1950er Jahren in der BRD ein schier unglaublicher Zustand, den Heidi selbst ihren Genossen gegenüber verteidigen musste. Die Heirat wurde von Heinz mit einem „Wir werden doch zusammenbleiben. Also können wir auch heiraten“ beschlossen, auch wenn Heidi bis zum Schluss zitterte, dass nicht noch ein wichtiger Sitzungstermin dazwischenkäme. Ob die beiden geahnt haben, wie viel gemeinsame Zeit, wie viele gemeinsame Kämpfe, Erfolge, Niederlagen, Feiern und Wendungen ihnen beschert sein würden – und dazu zwei Töchter und drei Enkelkinder, denen Heidi ihr Buch gewidmet hat. Bei den beiden verband sich das Private mit dem Politischen, Heidis Politisierung in der FDJ ging einher mit dem Finden ihrer großen Liebe.

Das KPD-Verbot erlebte Heidi als Sekretärin im KPD-Landesbüro, wo sie nach der Geburt einer Tochter arbeitete. Es folgten Jahre, in denen eine legale Betätigung als Kommunistin nicht mehr möglich war. Als sich 1968 die DKP neu konstituierte, wurde Heidi Mitglied und blieb es bis zu ihrem Tod. Die Partei war zeitlebens ihre politische Heimat. Zu ihrem 60. Geburtstag erschien eine UZ-Anzeige. Heidi gefiel besonders der Satz mit ihrer Charakterisierung als „unbequeme, aber nie verletzende Streiterin um den richtigen Weg“. „Im Bedarfsfall“, so schreibt sie, „könnte er mir als Grabinschrift für mich gefallen.“ Heidi war sich sicher, dass sie den richtigen Weg mit ihren Genossinnen und Genossen in ihrer Partei, der DKP, suchen und beschreiten musste. Und sie hat nie daran gezweifelt, dass es ein Weg in eine bessere, friedliche Zukunft für alle Menschen ist.

Der Gewerkschafterin Heidi Hummler ist ein langes Kapitel in ihrem Buch gewidmet. Ihr ist es zu verdanken, dass in der damaligen Gewerkschaft HBV ein Frauenarbeitskreis gegründet wurde: Sie organisierte die erste HBV-Frauenkonferenz und wurde die erste Vorsitzende des neu gegründeten Frauenausschusses. Dass sie auf dem Gewerkschaftstag dem damaligen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt die Show gestohlen haben soll, ist einer der Höhepunkte, von denen heute noch gern erzählt wird.

Es ist auch vor allem Heidi zu verdanken, dass der 8. März als Internationaler Frauentag in der Gewerkschaft in Stuttgart zur Institution wurde. Als der DGB-Bundesvorstand die Durchführung 1980 verbieten wollte, ignorierte Heidi konsequent alle Beschlüsse und schuf so lange Tatsachen, bis eine Absage schlicht unmöglich wurde. Sie organisierte einen Riesenerfolg und seitdem verging kein Jahr ohne eine Frauentagsveranstaltung.

Die Auseinandersetzung um die Arbeitsplätze bei der Trafo Union, ihre vielen Reisen, der Kampf gegen den Paragrafen 218, die Demonstrationen gegen alte und neue Nazis, die UZ-Pressefeste, die Redebeiträge auf Gewerkschaftstagen, Kundgebungen, Lesungen aus ihrem Buch: Heidi hatte viel zu geben, Heidi hatte viel zu sagen und Heidi hat vieles davon aufgeschrieben. Ich wünsche mir, dass ihr Buch noch mehr Leserinnen und Leser findet, dass sie ihr Leben euch allen einfach noch einmal selbst erzählt.

In Heidis Worten klingt das so: „Das Leben rast! Wie viel ist in meiner Zeit geschehen: Kriege und Diktaturen – Hunger und Not – Revolutionen und Aufstände – der Versuch, unter Mangel und Entbehrungen eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, und auf der anderen Seite Angepasstheit – Egoismus – Gleichgültigkeit. Aber auch Widerstand, Auseinandersetzung, Kampf und das Bemühen zu überzeugen. Dazwischen mein einmaliges kleines ICH – subjektiv empfindend und handelnd, immer überzeugt, dass Zukunft für mich und meine Nachkommen nur glücklich, friedlich und gerecht werden kann, wenn für die ganze Menschheit eine friedliche und gerechte Zukunft gestaltet wird.“

Heidi Hummler
Er-Lebens-Ver-Lauf
Gegen den Mainstream
Druckwerkstatt Renchen,
504 Seiten, 17,00 Euro
Erhältlich im uzshop.de

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"Unbequem, aber nie verletzend", UZ vom 7. März 2025



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