Am 14. Dezember haben die Beschäftigten des Universitätsklinikums Gießen Marburg (UKGM) ihre Forderungen nach einem Tarifvertrag Entlastung und Beschäftigungssicherung der Klinikleitung und der Landespolitik übergeben und ein 100-Tage-Ultimatum gestartet. 4.163 Kolleginnen und Kollegen hatten mit ihrer Unterschrift erklärt, in einen machtvollen Streik für ihre Forderungen eintreten zu wollen, falls sich bis zum 24. März nichts Substanzielles bewegt. Am vergangenen Freitag ist das Ultimatum abgelaufen, ohne dass sich etwas an den miserablen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessert hat.
Seit Montag dieser Woche wird nun tatsächlich Ernst gemacht. ver.di hat zu einem unbefristeten Streik am privatisierten Universitätsklinikum aufgerufen. Davon betroffen waren in den beiden ersten Tagen des Streiks die OPs, die Anästhesie, Herzkatheteruntersuchungen, Radiologie und Neuro-Radiologie sowie die Endoskopie. Für Mittwoch sind weitere Beschäftigte zum Streik aufgerufen. In den ersten fünf Streiktagen waren drei Viertel der eigentlich geplanten Operationen ausgefallen und rund 40 Stationen mussten Betten schließen. Falls es auch in der nächsten Verhandlungsrunde, die am Donnerstag oder Freitag stattfinden soll, keine Annäherung der Positionen gibt, soll der Streik fortgesetzt und ausgeweitet werden. Angesichts von mehr als eintausend Neueintritten in ver.di seit Beginn der Auseinandersetzung ist dies sicher keine leere Drohung.
Aus Sicht der Geschäftsführung des Uniklinikums und dem dahinterstehenden Asklepios-Konzern ist der Streik „unnötig und unangemessen, weil er die Versorgung der Patientinnen und Patienten hochgradig gefährden würde“. Ein Blick in den Klinik-Alltag zeigt jedoch, dass nicht der Arbeitskampf dafür verantwortlich ist. Stattdessen gefährden der Personalmangel und die damit verbundenen Arbeitsbedingungen schon seit Jahren das Wohl der Patienten. Dies belegt auch eine Befragung unter 2.500 Beschäftigten des UKGM. 95 Prozent der Befragten gaben an, dass die aktuellen Arbeitsbedingungen für sie in den nächsten Jahren nicht oder eher nicht tragbar sind und sie keine sichere Gesundheitsversorgung gewährleisten können.
Ungeachtet dieser – sowohl für Patienten als auch Beschäftigte – prekären Situation scheint die Unternehmensseite kein echtes Interesse zu haben, daran etwas zu ändern. Stattdessen beschwert man sich pressewirksam über die vermeintlichen Auswirkungen des Arbeitskampfes. Dabei hätte der Gesundheitskonzern jederzeit die Chance, den Streik zu beenden. Er müsste nur auf die grundlegenden Forderungen der Beschäftigten eingehen. „Stattdessen hat man das 100-Tage-Ultimatum und mehrere Warnstreiks ungenutzt verstreichen lassen, um verbindliche Regelungen für mehr Personal am UKGM zu vereinbaren“, so die Gewerkschaft.
Die Geschäftsführung verweist lieber auf zusätzliche Personalkosten in Höhe von 150 Millionen Euro, falls die notwendigen 2.300 zusätzlichen Vollzeitstellen geschaffen werden, und schiebt das Totschlagargument des vermeintlichen Fachkräftemangels nach. Es gibt jedoch keinen Mangel an Fachkräften im Gesundheitswesen. Was existiert, ist ein Mangel an Fachkräften, die unter den aktuellen Bedingungen im Krankenhaus arbeiten wollen. Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick nach Berlin. Mit besseren Arbeitsbedingungen können erfolgreich Pflegekräfte gewonnen werden. Die Charité hat im ersten Jahr nach der Einführung des Tarifvertrages Entlastung mehr als 500 Pflegekräfte einstellen können.