Dem Aufruf des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) zu den „Preise-runter-Demos“ folgten 32.000 Menschen. Zeitgleich in allen neun Bundesländern hatte der ÖGB für den 17. September zu „Demos gegen die Kostenexplosion“ aufgerufen. In allen Landeshauptstädten folgten Tausende dem Aufruf unter dem Motto „Die Preise explodieren! Es reicht! Jetzt gehen wir gemeinsam auf die Straße!“ Einzige Ausnahme war Graz, dort musste auf eine kleinere Stadt ausgewichen werden, wegen eines schon lange geplanten Volkskulturfestivals. Der ÖGB organisierte kostenlose Fahrgelegenheiten.
Bereits im Vorfeld gab es viel Zustimmung, endlich der schwarz-grünen Regierung und den Konzernen mit ihren Extraprofiten die Leviten zu lesen. Der Aufruftext traf die Stimmung: „Die Preise steigen ohne Ende und Konzerne streichen Rekordgewinne bei Energie, Sprit und Lebensmitteln ein. Die Rechnung zahlen wir alle, und wenn jetzt nichts geschieht, dann ist das erst der Anfang der Teuerungswelle. Darum sagen wir jetzt STOPP! Die Politik muss endlich handeln und kann nicht mehr tatenlos zusehen, wie unser Leben unleistbar wird.“
Viele Vereine und Organisationen, unter anderen die Volkshilfe (ähnlich der deutschen Arbeiterwohlfahrt), Fridays for Future, Jugendorganisationen, Verbände von Rentnerinnen und Rentnern schlossen sich den Demos an. Die Kommunistische Partei Österreichs, die Kommunistische Jugend, der Gewerkschaftliche Linksblock marschierten mit eigenen Blöcken und Transparenten in den Demos. Die Losungen kämpferischer: „Preise runter! Löhne rauf!“, „Kampf bis zum Streik!“ und „Für ein leistbares Leben statt ihrer Profite!“
In Wien, wo 20.000 Menschen demonstrierten, sprachen unter anderen der Präsident des ÖGB, Wolfgang Katzian, sowie der Vorsitzende der Volkshilfe. Ihre Reden wurden auf allen neun Kundgebungen eingespielt, insgesamt gab es mehrere Aufnahmen, die von den unterschiedlichen Demos zu den anderen übertragen wurden. Hauptredner der anderen Kundgebungen waren die Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften und der sozialdemokratischen Arbeiterkammerfraktionen. In Wien demonstrierte die SPÖ-Bundesvorsitzende und Fraktionsführerin im Nationalrat Pamela Rendi-Wagner mit, in den anderen Bundesländern sozialdemokratische Spitzenvertreter.
Zum ersten Mal seit 2017 hatte der ÖGB wieder bundesweit zu Demonstrationen gegen eine Bundesregierung aufgerufen. Vor fünf Jahren richtete sich der Protest gegen die Einführung des 12-Stunden-Tages durch Türkis-Blau, diesmal gegen die schwarz-grüne Regierung, die keinen Preisstopp und keine Regulierungen der Preiserhöhungen durchführen wollen und die Menschen mit Einmalzahlungen abspeisen: „Aber die Preise bleiben“, so eine Rednerin.
Zugleich waren die Demos Auftakt zu den österreichweiten gewerkschaftlichen Tarifverhandlungen. Traditionell beginnen im Herbst die Metallerinnen und Metaller, denen dann Handel und das private Pflegegewerbe folgen. Die meisten Lohnabschlüsse in Österreich laufen ein Jahr, bisher gibt es noch nicht so viele Ausnahmen davon.
Die übergreifende Lohnforderung, die bisher bekannt wurde, lautet: „2.000 Euro Mindestlohn und -gehalt in allen Kollektivverträgen!“ Sie entstand auf der gemeinsamen Konferenz aller Kollektivvertragsverhandlerinnen. 300 Betriebsrätinnen, Betriebsräte und Personalvertreter aus allen Gewerkschaften berieten diese gemeinsame Forderung. Eine fixe Forderungszahl wird derzeit aus den Verhandlungsgremien nicht genannt. Auf den Kundgebungen am Wochenende forderten Redner, dass es keinen Abschluss unter der rollierenden (vergangenen) Inflationsrate geben dürfe – die liege in Österreich bei knapp 7 Prozent. Die tatsächliche aktuelle Inflationsrate aber liegt bei 9,1 Prozent. Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ legten die Metaller ihre Lohnforderung fest: Sie wollen 10,6 Prozent mehr.
Der Gewerkschaftliche Linksblock GLB fordert „Kein Abschluss unter 10 Prozent!“ und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Personal- und Lohnausgleich. Der Vorsitzende der Gewerkschaft vida fordert bereits ein Vorziehen der Tarifverhandlungen mit einem Sondertarifvertrag, man könne nicht bis zum nächsten Jahr warten: „Bei den aktuellen Preisentwicklungen muss man möglichst alle sechs Monate über den Lohn verhandeln und nicht nur einmal im Jahr.“