Auf dem UZ-Pressefest stellt Erich Schaffner Auszüge aus seinem jüngsten Programm vor

Um den Nebel zu lichten

Ende April 2022: der erste Auftritt seit über zwei Jahren – Georg Klemp und Erich Schaffner haben die Flaute überlebt – die Kulturhalle in Mühlheim am Main ist voll besetzt. Ein breites Bündnis hat zur Veranstaltung eingeladen. Schaffner geht ans Mikro und zitiert kommentarlos in breitem Berlinerisch des Kaisers Generalstabschef anno 1900: „Auf das eigentlich treibende Motiv der ganzen Expedition muss man freilich nicht eingehen, denn wenn wir ganz ehrlich sein wollen, so ist es Geldgier, die uns bewogen hat, den großen chinesischen Kuchen anzuschneiden. Wir wollen Geld verdienen, Eisenbahnen bauen, Bergwerke in Betrieb setzen, europäische Kultur bringen, das heißt in einem Wort ausgedrückt: Geld verdienen.“ Eigentliches Thema des Abends, den die beiden Künstler alleine bestritten, war die Bücherverbrennung 1933. Die Köpfe der Leute im Raum waren voll der bedrückenden Bilder des näher rückenden Krieges.

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Schaffner hat in den 45 Jahren seiner Soloauftritte gelernt, mit den Bedürfnissen des Publikums, dem eigenen Anspruch an politische Aufklärung und den Wünschen der Veranstalter umzugehen. Die Leute dort abholen, wo sie sind und an dem Abend die Struktur der Verhältnisse, die die Menschheit bedrücken, ein bisschen klarer zu machen, den Nebel zu lichten. Volksweisheit aus dem 1. WK: „Der Krieg ist für die Reichen, der Mittelstand muss weichen, der Arbeiter stellt die Leichen!“ oder: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall: ‚In Frankfurt sin die Kadoffel all, Kartoffel, Schinke, Worscht un Speck, des fresse uns die Reische weg …‘“ Die verbrannten Dichter liefern heute verschüttete Erkenntnis in Fülle. Brecht zum Thema Nationalismus: „Es ist mir immer merkwürdig vorgekommen, warum man gerade das Land besonders lieben soll, wo man die Steuern zahlt?“ Zum Thema Krieg: „Die Oberen sagen Friede und Krieg/Sind aus verschiedenem Stoff./Aber ihr Friede und ihr Krieg/Sind wie Wind und Sturm./Der Krieg wächst aus ihrem Frieden,/Wie der Sohn aus der Mutter/Er trägt/Ihre schrecklichen Züge./Ihr Krieg tötet/Was ihr Friede/Übriggelassen hat.“ Tucholskys „Der Graben“ weist den Proletariern den Ausweg: „Reicht die Bruderhand als schönste aller Gaben/übern Graben, Leute, übern Graben.“ Die Botschaften kamen an.

Der Journalist der „Offenbach Post“ schrieb: „Schaffner setze auf einen Mix aus Lesung und Gesang. Passender Begleiter für die stimmlich beeindruckende Vorführung war der Pianist Georg Klemp … Bei allem zeigte Schaffner die eher leisen, aber gut ausmodulierten Gesten und Betonungen seines Könnens. Den lauten Ausdruck hob er sich für die brüllenden Vorlagen auf… ‚Da war so viel, was wir noch gar nicht wussten‘ diskutierte eine Gruppe Besucher das Gehörte am Ende. Was blieb, war indes auch die erschreckende Aktualität, auch wenn Schaffner mit keinem Wort das derzeitige Kriegsgeschehen erwähnte.“

Erich Schaffner und Georg Klemp erleben Sie auf dem UZ-Pressefest am Samstag, 27. August um 12:30 Uhr auf der Hauptbühne und bei dem ab 16:30 Uhr stattfindenden Antikriegsmeeting.

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"Um den Nebel zu lichten", UZ vom 19. August 2022



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