Lange hat die Leitung des Sana-Konzerns die Aufforderung zu Verhandlungen über eine Notdienstvereinbarung für das Klinikum Berlin-Lichtenberg ignoriert. Da es noch kein verhandlungsfähiges Angebot in der laufenden Entgelttarifrunde des Konzerns gab, wurden in mehreren Kliniken des privaten Trägers erste Warnstreiks geplant. Am 10. und 11. Juni war es in Lichtenberg soweit.
Erst in der Woche davor hatte die Geschäftsführung reagiert. Beim ersten Gesprächstermin gab es kein Ergebnis. Zu groß waren die Unterschiede bei den Vorstellungen darüber, wie die Notdienste während der Streiks geregelt werden sollen. Die Konzernleitung forderte zum Teil Besetzungen, die über den gesetzlichen Personaluntergrenzen liegen – und damit über der Normalbesetzung. Eine Einigung strebte sie gar nicht an, wie sich am vergangenen Freitag herausstellte.
Beim zweiten Gesprächstermin verkündeten die Konzernvertreter, dass sie vor dem Arbeitsgericht erfolgreich gewesen seien und Recht bekommen hätten. Tatsächlich hatte das Arbeitsgericht unmittelbar vor dem Wochenende eine einstweilige Verfügung erlassen, die besagt, dass die Stilllegung ganzer Stationen nicht zulässig sei, da Gefahr für Leib und Leben der Patienten bestehe. Aus demselben Grund sei auch die Notdienstbesetzung der anderen Stationen, wie von der Geschäftsführung gewünscht, höher anzusetzen. Das Gericht entschied ohne Anhörung der Gewerkschaft. Die Entscheidung basiert im Kern auf eidesstattlichen Erklärungen von Chefärzten beziehungsweise Oberärzten der Klinik, in der eine Gefährdung von Patienten durch den Streik behauptet wird. Die wirkliche Gefährdung im alltäglichen Normalbetrieb spielte bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts natürlich keine Rolle. ver.di wird rechtlich dagegen vorgehen.
Im Unterschied zur ärztlichen Leitung gibt es bei Assistenzärzten und einigen Oberärzten auch Unterstützung für die streikbereite nichtärztliche Belegschaft. Bei vielen Stationen wurde unabhängig von konkreten Notdienstbesetzungen die Patientenzahl bereits reduziert. So wird manche Station im Streik mit dem verordneten Notdienst fast schon überbesetzt sein. Eine groteske Vorstellung, wenn man bedenkt, wie oft durch personelle Unterbesetzung eine Überlastungs- beziehungsweise Gefährdungsanzeige geschrieben werden müsste. Immer wieder wird die Geschäftsführung vom Betriebsrat mit der hohen Zahl an Überlastungssituationen in der Pflege und anderen Bereichen konfrontiert. Meistens werden diese dann abgetan als lediglich gefühlte Überlastung, um sogleich auf fehlerhaftes Verhalten der Meldenden hinzuweisen. Von Patientengefährdung also keine Spur?
Die ver.di-Betriebsgruppe im Klinikum Lichtenberg hat in den letzten zwei Monaten nahezu 100 Neueintritte verzeichnet. Die Motivation, jetzt entschlossen in den Arbeitskampf zu gehen, ist in weiten Teilen der Belegschaft hoch. Parallel sind Warnstreiks und andere Aktionen in mehreren anderen Sana-Kliniken angekündigt. Die einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts wird den Warnstreik nicht verhindern. Im Gegenteil – es ist jetzt noch mehr Druck im Kessel. Das wird sich am Streikposten und auf der Demonstration durch Lichtenberg zeigen, die am Dienstag stattfindet (nach Redaktionsschluss). Es wird wohl nicht der letzte Warnstreik in dieser Tarifrunde sein.