Beate Landefeld zum 80. Geburtstag

Über Liebe, die Partei und andere brennende Fragen

Lothar Geisler, Herbert Lederer im Vorwort

Wer sich heute auch als junger Mensch mal aus marxistischer Sicht mit der Liebe und Erich Fromms Theorie derselben auseinandersetzen möchte, wird nicht auf Anhieb an Beate Landefeld als Autorin denken. Aber im Archiv der „Marxistischen Blätter“ einen fundierten, streitbaren Artikel dazu finden, der auch aktuell an Orientierungspotenzial nichts verloren hat. Gleiches gilt für andere Themen, mit denen sich Beate Landefeld in früheren Jahren als Autorin der „Marxistischen Blätter“ ab 1979 befasst hat: Jugendbewegung und „alternative Lebensformen“, „soziale Verteidigung“, „Neofeminismus“, „Frauenbilder in Frauenzeitschriften“ oder „Meinungspluralismus und Kommunistische Partei“. Auch aus zeitlicher Distanz lohnt es sich noch, diese Artikel zu lesen, die wir aus Anlass des 80. Geburtstages von Beate Landefeld in diesen Sammelband aufgenommen haben. Als Geschenk für sie, für ihre „Community“ und Nachgeborene.

Dieses „Best of Beate“ umfasst alle ihre Artikel aus den „Marxistischen Blättern“ – die jüngsten am Anfang, die älteren zum Schluss. Eine Auswahl fiel schwer: Weil Beate Landefeld keine extravertierte Vielschreiberin ist – zumal ihre monatliche UZ-Kolumne, ihr eigener Blog und ihr Facebook-Freundeskreis seit Jahren ihre volle Aufmerksamkeit genießen. Hier wie dort zeigt sich, dass sie einen Sinn dafür hat, relevante (!) Fragestellungen konkret (!) aufzugreifen und zum richtigen Zeitpunkt (!) kompetent (!) zu bearbeiten, will heißen: vor dem Schreiben viel zu lesen und zu durchdenken. Das zeichnet die Qualität ihrer Beiträge aus, neben ihrer Fähigkeit, eine wissenschaftsbasierte Weltsicht besonders für Nichtakademikerinnen und Nichtakademiker verständlich rüberzubringen.

Hier zeigen sich Spuren ihrer Herkunft und Sozialisation – nicht zuletzt ihrer Zusammenarbeit mit Robert Steigerwald, Willi Gerns und Kurt Steinhaus im Herausgeberkreis der „Marxistischen Blätter“ ab 1986 und in der Abteilung „Marxistische Theorie und Bildung“ des Parteivorstandes der DKP bis 1989/90. Sie hatte das Zeug, deren Nachfolgerin zu werden.

Beate Landefeld, Jahrgang 1944, das älteste von vier Kindern einer hessischen Bauernfamilie, entzog sich bei Kälte und Regen gerne harter Feldarbeit und „täuschte Hausaufgaben vor“, wie sie selbst schreibt. „Während die anderen schufteten, las ich alles, was ich zuhause fand, die Landwirtschaftszeitung, Kitsch- und Schundromane meiner Oma, aber auch ein Dutzend Reclam-Heftchen mit Dramen von Kleist, Goethe, Schiller und anderen Klassikern, die mein Vater als Soldat irgendwo aus einem ausgebombten Haus mitgenommen hatte.“ (Mit den „Klassikern“ der kommunistischen Bewegung befasste sie sich dann intensiv 1980 im Studienjahr an der internationalen Moskauer Lenin-Schule.)

Wie aus diesem wissensdurstigen und lesehungrigen Kind über die Berufsausbildung als Hotelfachfrau, das Abendgymnasium, das Studium der Literaturwissenschaft, die Aktivität in der Jugend- und Studentenbewegung der 1960er/1970er Jahre die Vorsitzende des MSB Spartakus, eine überzeugte Marxistin und diskussionsfreudige Kommunistin wurde, die auch nach der Zäsur von 1989/90 und dem damit verbundenen Bruch in der eigenen Biografie im anhaltenden gesellschaftlichen Gegenwind bei der Stange beziehungsweise der roten Fahne blieb, kann man in ihrem Selbstzeugnis am Ende dieses Buches nachlesen, detailliert und schnörkellos. So wie auch ihre Artikel sind.

In diesem Selbstzeugnis werden viele ihrer Generation sich und eigene Entwicklungsetappen prototypisch wiederfinden. Und die Nachgeborenen bekommen einen lebendigen Einblick in eine andere Zeit und den Lebensweg einer kämpferischen Persönlichkeit, die sich als Intellektuelle nicht erst der arbeitenden Klasse annähern musste, weil sie aus ihr kommt und aus ihr heraus zur Intellektuellen wurde. Solche Lebensläufe waren im sozialistischen Arbeiter-und-Bauern-Staat DDR der Normalfall – in der kapitalistischen BRD nur in einem kurzen Zeitfenster möglich. Welchen Stellenwert die Teilnahme an den Kämpfen der arbeitenden Klasse für eine auf Emanzipation abzielende Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen hat, kann man in dem Beitrag „Klassenkampf und Persönlichkeitsentwicklung“ nachlesen, mit dem Beate Landefeld ihre Publikationstätigkeit in den „Marxistischen Blättern“ begann und mit dem dieses Buch endet.

Selbst wer Beate Landefeld lange kennt, mit ihr zusammengearbeitet hat oder sie bei einem Vortrag erleben durfte, wird beim Lesen noch die eine oder andere überraschende Facette ihrer Persönlichkeit und ihres Wirkens als Autorin und Mitherausgeberin der „Marxistischen Blätter“ entdecken. Aber vor allem viel von der Welt erkennen, in der wir leben und die es gemeinsam zu verändern gilt.

Beate Landefeld
Über Liebe, die Partei und andere brennende Fragen
Essen 2024, Hardcover, 304 Seiten, 19,80 Euro
Erhältlich beim Neue Impulse Verlag:
www.neue-impulse-verlag.de
info@neue-impulse-verlag.de

Das Archiv der Marxistischen Blätter gibt es hier:
uzlinks.de/mb1963

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"Über Liebe, die Partei und andere brennende Fragen", UZ vom 13. September 2024



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