Friedenskräfte aus europäischen Ländern diskutierten über internationalistische Strategien

Über Grenzen für Frieden

Chris Hüppmeier

Über 80 gewerkschaftlich organisierte Friedensbewegte haben sich Anfang November in Berlin zu einer Konferenz des „Europäischen Verbindungskomitees gegen Krieg – gegen sozialen Krieg“ (EVK) getroffen. Dort diskutierten Delegierte aus mehr als einem Dutzend europäischer Länder über die gegenwärtigen Kriege, die sozialen Folgen der Kriegspolitik und die damit verbundenen verschärften Angriffe auf die demokratischen Rechte und Freiheiten.

UZ sprach mit Gotthard Krupp, Mitglied im Landesbezirksvorstand Berlin-Brandenburg der Gewerkschaft ver.di und Vertreter der Deutschen Koordination im Europäischen Verbindungskomitee, der die Konferenz in Berlin vorbereitet hat.

UZ: Mit dem europäischen Verbindungskomitee orientiert ihr auf eine Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg. Warum ist diese internationale Zusammenarbeit der Friedensbewegung wichtig?

Gotthard Krupp: Im Sommer des vergangenen Jahres haben wir uns zu einer ersten europäischen Konferenz getroffen mit der klaren gemeinsamen Ausrichtung: „Gegen Krieg – Gegen den sozialen Krieg“. Wir wollen europaweit die Widerstandskräfte gegen die kriegstreibende, sozial zerstörerische und antidemokratische Politik der Regierungen vereinen und so auch in jedem einzelnen Land stärken. Alle Delegierten sind gewerkschaftlich engagiert, unterschiedlich politisch organisiert und aktiv in der Friedensbewegung. Mit unserem Aufruf im Frühjahr, der von mehreren hundert Kolleginnen und Kollegen aus 21 Ländern unterzeichnet wurde, haben wir uns eine gemeinsame Grundlage gegeben. Er beginnt mit dem Appell: „Nicht erst, wenn der Krieg 1.000 Soldaten pro Tag tötet, wenn die Freiheiten durch Zensur und Kriegsrecht unterdrückt werden, kann man den Krieg bekämpfen, sondern vorher, wenn man sich noch organisieren und demonstrieren kann. Dieses Mal müssen sie vorher gestoppt werden!“

UZ: Was sind eure Kernforderungen?

470502 Interview Portrait - Über Grenzen für Frieden - Europäische Verbindungskomitees gegen Krieg - gegen sozialen Krieg, Friedensbewegung, Gewerkschaften, Gotthard Krupp - Politik
Gotthard Krupp

Gotthard Krupp: Unter dem Diktat des US-Imperialismus sind innerhalb von NATO und EU alle Regierungen in unterschiedlichem Umfang an den Kriegsvorbereitungen gegen Russland beteiligt oder Komplizen des Völkermords in Gaza. Im Ergebnisprotokoll unseres Treffens haben wir deshalb unsere gemeinsamen Forderungen bekräftigt. Wir fordern ein sofortiges Ende des Genozids in Gaza und einen Stopp der Ausweitung des israelischen Zerstörungskriegs auf den Libanon und Syrien. Es gilt in Palästina wie in der Ukraine: Sofortiger Waffenstillstand und Stopp aller Waffenlieferungen! Dabei ist für uns auch klar: Wir lehnen jede militärische Intervention von NATO-Truppen in der Ukraine ab und stehen an der Seite der jungen Ukrainer und Russen, die den Krieg nicht länger ertragen können, denn: Kriege gegen andere Völker werden immer zu Kriegen gegen das eigene Volk. Das heißt auch: Wir sind entschieden gegen den Abbau demokratischer Rechte. Der Angriff auf die Grundrechte war eine Erfahrung, die Delegierte aus allen Ländern teilten. Um jeden Widerstand zum Schweigen zu bringen und die Völker einzuschüchtern, werden das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit abgebaut.

UZ: Über welche Inhalte habt ihr auf der diesjährigen Europa-Konferenz diskutiert?

Gotthard Krupp: Wir haben über die Eskalation des Krieges in der Ukraine gesprochen und die damit verbundenen Vorbereitungen für einen Krieg gegen Russland. Horrende, milliardenschwere Investitionen werden von der zivilen Produktion in die Rüstungsproduktion umgeleitet. Im Fokus stand auch die Verantwortung für den Genozid in Gaza, die alle europäischen Regierungen tragen, die Netanjahus Kriegszug militärisch und finanziell unterstützen. Im Zuge unserer Diskussion wurde auch deutlich, dass die Militarisierung der Gesellschaft in allen Bereichen voranschreitet. Zum Beispiel im Gesundheitswesen, das zum Zweck der Kriegstüchtigkeit umgestaltet wird. Oder bei der Umwidmung von Schulen und Universitäten zu Rekrutierungsfeldern für die Armee.

UZ: Wie geht es weiter?

Gotthard Krupp: Der Widerstand findet überall auf unserem Kontinent statt. Er zeigt sich auf Antikriegsdemonstrationen und in der Arbeit von Friedensinitiativen. Aber er zeigt sich auch in den Streiks und Aktionen der Arbeiterbewegung. Die arbeitende Bevölkerung und Jugend ist nicht bereit, mit Lohnsenkungen und Arbeitsplatzabbau, Verteuerungen oder dem Zusammenbruch der öffentlichen Daseinsvorsorge für die Kosten des Krieges zu bezahlen. Und trotz des fast durchgängigen Schweigens der Gewerkschaftsführungen breiten sich Proteste zur Verteidigung des palästinensischen Volkes und seiner Rechte aus. Kolleginnen und Kollegen aus Norwegen, wo keine der etablierten Parteien gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ist, berichteten darüber, dass sie eine neue Partei als politische Kraft im Kampf für die Mobilisierung gegen Krieg und sozialen Krieg aufbauen wollen. Ähnliche Entwicklungen haben wir in Deutschland mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht oder auch mit der radikalen Linken in Serbien. Wir sind überzeugt: Die Mobilisierung des Volkes wird die mörderische Eskalation, in die uns die Regierungen hineinziehen wollen, verhindern und die Waffenlieferungen stoppen können. Wir haben beschlossen, im nächsten Schritt ein Bulletin des EVK herauszugeben, um den Widerstandsprozess und unser Bündnis über die Grenzen hinweg zu stärken.

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"Über Grenzen für Frieden", UZ vom 22. November 2024



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