Über das Herankommen an den revolutionären Bruch

Von Klaus Mausner

Ich finde es gut, dass im Leitantrag (insbesondere Zeilen 91 bis 115, 756 bis 770 und 805 bis 831) so konkret und realistisch, wie heute möglich, über das Herankommen und den Bruch nachgedacht wird. Das macht die Ernsthaftigkeit einer KP aus.

Als erste Schwierigkeit ist zu beachten, dass es bislang kein Beispiel für eine erfolgreiche sozialistische Revolution in einem hochentwickelten imperialistischen Land gibt, v. a. nicht für einen revolutionären Bruch aus eigener Kraft.

Die zweite Schwierigkeit besteht darin, dass wir es heute mit einem hochgerüsteten imperialistischen Machtapparat und einer der erfahrensten und skrupellosesten herrschenden Klasse zu tun haben. Ein Frontalangriff auf diesen Machtapparat erscheint so gut wie aussichtslos. Es muss über eine „indirekte Strategie“ nachgedacht werden, selbst über Erfahrungen des „gewaltlosen Widerstands“.

Die dritte Schwierigkeit besteht in der transnationalen Vernetzung des deutschen Imperialismus mit der NATO, den USA, der EU. In diesem Zusammenhang kann nur eine international abgestimmte Strategie der KPs weiterhelfen.

Nach diesen Vorbemerkungen einige „Selbstverständlichkeiten“:

1. Ohne starke, erfahrene und gut in der Arbeiterklasse verankerte KP keine erfolgreiche sozialistische Revolution! Also müssen wir unsere DKP mit vielen neuen Mitgliedern stärken, sie durch Bildungsarbeit ideologisch ausrüsten und v. a. auf Betriebe und Gewerkschaften orientieren.

2. Ohne kampfentschlossene Arbeiterbewegung keine Veränderung des Kräfteverhältnisses! Die Arbeiterklasse muss wieder zum Kraftzentrum aller Auseinandersetzungen in unserem Land werden. Ringen um die Gewerkschaften, um sie wieder zu kämpferischen Klassenorganisationen werden zu lassen (einschließlich der Orientierung auf politischen Streik)!

3. Ohne kluge klassenmäßige Bündnispolitik keine ausreichende Veränderung der Kräfteverhältnisse! Mit einer kämpferischen Arbeiterbewegung gilt es, möglichst große Teile der Zwischenschichten zu gewinnen, aus der werktätigen Intelligenz, den kleinen Selbstständigen und Handwerkern, kleine Bauern.

Die noch zu wenig durchdachten Schlussfolgerungen für das „Herankommen“ sind m. E.: Aus der notwendigen Entfaltung der Klassenkämpfe gilt es zugleich, die Gegenmachtstrukturen von unten aufzubauen, v. a. in den Betrieben kämpferische gewerkschaftliche Vertrauensleute-Organe, Betriebsräte und Personalräte, aber auch auf Ebene der Stadtteile und Kommunen die Entfaltung und Vernetzung von kämpferischen Selbstvertretungsstrukturen wie Mieter- und Friedens-Initiativen, Initiativen für „unsere Stadt“/soziale Initiativen zur Unterstützung des Prekariats. (Die KKE bringt hier das Stichwort von „Volkskomitees“ in die Diskussion.)

Unser strategisches Ziel einer „Wende“ drückt v. a. diese qualitative Veränderung der Kräfteverhältnisse aus, als Voraussetzung, um den Zugriff auf die gesamte Staatsmacht für die Arbeiterklasse im Bündnis überhaupt erst möglich zu machen.

Die Hauptstoßrichtung gegen die Monopole und „ihren Staat“ muss sich in der Aktionstätigkeit stärker niederschlagen mit aktuellen Zuspitzungen, z. B. Forderungen nach Vergesellschaftung der Autoindustrie, der Rüstungsindustrie, der Banken und Finanzinstitute.

So muss das gesellschaftliche Bewusstsein über die Notwendigkeit der Sozialisierung v. a. der „Kommandohöhen“ der Ökonomie geschärft werden. Die Forderung linker Bürgerlicher, von einer „imperialen Lebensweise“ wegzukommen zu einer „solidarischen Lebensweise“, ist eben nur durch einen Bruch mit imperialistischen Macht- und Eigentumsstrukturen zu verwirklichen.

So ergeben sich von den „Zukunftsfragen der Menschheit“ ausgehend (v. a. Krieg-Frieden-Frage, global-soziale Katastrophe einschließlich Flüchtlingsdrama, Ökokastrophe) breiteste Bündnismöglichkeiten bis tief ins bürgerliche Lager hinein. Inwieweit dies auch Teile der „kleinen und mittleren Bourgeoisie“ erfassen kann, ist dabei nebensächlich, aber mit einer hochaktiven Arbeiterklasse als Kraftzentrum eher wahrscheinlich.

Zum Charakter des Bruchs: Voraussichtlich muss zuallererst der Bruch mit den politischen Machtverhältnissen erkämpft werden, bevor der Bruch mit den Kommandohöhen der Ökonomie real durchsetzbar ist, die Enteignung der Monopole und ihre Unterwerfung unter die Kon­trolle einer revolutionär-demokratischen Staatsmacht. Gleichzeitig muss voraussichtlich die verbleibende kapitalistische „Restökonomie“ einer sofortigen Arbeiterkontrolle unterzogen werden, um konterrevolutionäre Sabotage zu unterbinden. Die Kapitalisten, die offen ins Lager der Konterrevolution übergehen, werden sofort enteignet. Der Rest an kleinen und mittleren Kapitalisten bleibt „vorläufig“ (eventuell über Jahrzehnte?) im Besitz ihres Eigentums, allerdings unter Arbeiterkontrolle, ständig erweiterten gewerkschaftlichen Rechten, einer fortschreitenden Sozialpolitik und im Rahmen eines zunehmend sozialistischen Plans. Die Erfahrungen z. B. der DDR mit halbstaatlichen Betrieben müssen dabei sorgfältig ausgewertet werden. Dieses Bewusstsein des „Bruchs“ muss bereits unsere heutige Praxis durchdringen.

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"Über das Herankommen an den revolutionären Bruch", UZ vom 10. November 2017



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