Tusch und kleine Gesten

Olaf Matthes zur Vorbereitung von Rot-Rot-Grün im Bund

Man kennt sich, man duzt sich, man versteht sich. Das „Forum Demokratischer Sozialismus“ (fds) in der Linkspartei hat das nächste Signal organisiert, um zu zeigen, dass das rot-rot-grüne Lager bereit ist, nach der Bundestagswahl die Regierung zu übernehmen: Eine Diskussionsveranstaltung mit Spitzenvertretern der drei Parteien.

Natürlich weiß jeder, dass die „Reformer“ in der Linkspartei daran arbeiten, dass die richtigen Beschlüsse ihrer Partei keine Hindernisse auf dem Weg ins nächste Kabinett bleiben. Wirklich öffentlich sind die Gespräche darüber bisher nicht. Nun hat das fds mit Bartsch, Barley und Hofreiter tatsächlich Spitzenpolitiker der drei Parteien für eine öffentliche Debatte gewinnen können – die Moderatorin lobt die Veranstalter: Es sei wunderbar, dass die „Tapferen“ vom fds es geschafft haben, „die drei Akteure aus den Niederungen der Heimlichkeit auf die große Bühne zu bringen“. „Dem Trübsinn ein Ende“ ist der Titel der Veranstaltung. Den Trübsinn über die Umfragewerte, die es zur Zeit nicht wahrscheinlich machen, dass SPD, Grüne und Linkspartei im kommenden Jahr tatsächlich eine Regierung bilden könnten, wissen sie zu überspielen.

Von Inhalten war am Samstag in Leipzig wenig die Rede. Das vereinfacht das Gespräch, denn wenn man zum Beispiel die Beschlüsse des letzten Parteitags der Linkspartei zu wörtlich nähme, böte eine rot-rot-grüne Bundesregierung keinen abendfüllenden Gesprächsstoff. Das Rezept der Annäherung ist Beliebigkeit, auch wenn sie es hier anders nennen: „Ausdrücklich an die Adresse meiner Partei“ will Dietmar Bartsch festgehalten wissen, dass die Voraussetzung für die Zusammenarbeit „die Akzeptanz des Anderen“ ist.

Die Schritte, die die Linkspartei auf die Beteiligung an der Bundesregierung vorbereiten, werden nicht in den Vorständen beschlossen. Mal gibt Gysi ein Interview, im Oktober trafen sich rund 100 Abgeordnete der drei Parteien in Berlin. Wie es der Zufall wollte war Sigmar Gabriel auch gerade da, ging aber wieder, bevor die Anwesenheit des SPD-Vorsitzenden ein zu krasser Bruch der Vereinbarung wurde, dass die Parteispitzen nicht am Treffen teilnehmen sollten. Auf die kleinen Gesten kommt es an.

Zu den kleinen Gesten gehörte, dass Dietmar Bartsch Ende Oktober verkündete, dass der Zufallsbesucher Gabriel schon in der folgenden Woche Kanzler sein könne, wenn er denn mit SPD und Grünen Merkel stürzen wolle – und: „Nicht alles an der Agenda 2010 war schlecht“. Vielleicht vertreibt es den Trübsinn der Oppositionsbank die asoziale Politik der schröderschenrot-grünen Bundesregierung zu akzeptieren.

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"Tusch und kleine Gesten", UZ vom 2. Dezember 2016



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